◊ Reformationsdenkmal (5)

  • Die Darstellung des Reformationsdenk-mals in Stuttgart ist in sechs Hauptbe-reiche gegliedert.
    Zur leichteren Orientierung hier kurze Beschreibungen der einzelnen Ab-schnitte, der Link führt dann dorthin:

    Im 1. Bereich:

    Kurze Einführung, alle Fotos inkl. der Mauerzeichnungen - Gegenüber-stellung zur Originalgestalt und heute

  • Dokumente aus dem Jahr 1911:
    71 Entwürfe wurden zum Wettbewerb eingereicht, daraus werden vom Preisgericht zunächst 11 in die engere Wahl gezogen und schließlich 4 ausgewählt (Gebrüder Walz, Jakob Brüllmann, Emil Hipp und Anton Morel, Hermann Lang). Diese werden "in Konkurrenz" aufgefordert, ihre Entwürfe weiter zu konkretisieren. Über die Jury-entscheidung erhebt sich (natürlich) auch heftiger Streit.
    Im November wählt das Preisgericht aus den vier Entwürfen den von Jakob Brüllmann, obwohl er in seiner Gestal-tung weit vom Ausschreibungstext abweicht. Dies wird im Folgejahr zu heftigsten öffentlichen Auseinander-setzungen führen.

  • Dokumente aus den Jahren 1912 + 1913:
    Frühjahr 1912: endgültiger Auftrag (mit Kostenberechnung) an J. Brüllmann und Kauf des Grundstücks von der Stadt Stuttgart. Herbst 1912 erster dokumen-tierter Widerstand gegen die Konzep-tion Brüllmanns
    1913 keine Dokumente auffindbar für die ersten 10 Monate. November und De-zember heftiger öffentlich ausgeführter Streit (in zahlreichen Zeitungen) über die Gestaltung. Der Engere Rat der Evang. Gesamtkirchengemeinde beendet den Streit mit einem öffentlichen Appell.

  • Dokumente aus dem Jahr 1910:
    Im Frühjahr wird von Papst Pius X die Enzyklika "Editae saepe" veröffentlicht, im Volksmund "Borromäus-Enzyklika" genannt (nach dem Gegenreformator Carlo Borromeo). Diese wird vor allem in den deutsch-sprachigen Ländern als vehemente, extrem diffamierende Stellungnahme gegen den Protestan-tismus verstanden und führt überall zu heftigen Protesten / Gegenbewe-gungen. In Stuttgart ist sie die maßgeb-liche Inítialzündung für das Wiederauf-leben des Denkmalausschusses und das Einsetzen einer konkreten Planung.
    Man beginnt (sehr erfolgreich) Spenden einzusammeln; im Dezember wird ein Wettbewerb ausgeschrieben mit dem Ziel, vier Vorentwürfe zu bekommen.

  • Dokumente aus den Jahren 1917 + 1918 (und später)

    (Keine Dokumente 14 - 1916 vorhanden)

    Vorberichte, Programm und Berichte der Einweihung. Scan der Festschrift von D. Merz (Vorsitzender des D'Aus-schusses) mit vielen präzisen Details.
    Abschlußprotokoll des Denkmalaus-schusses Anfang 1918 (und Auflösung).
    Spätere Zeitungsberichte.

Christliches Kunstblatt 1911 (Januar - Dezember)

Auszug zum Download als 1 pdf:
- Titelseite
S. 24 - 27 + 31
S. 222 - 227 (Abbildungen der Entwürfe von Gebr. Walz / J. Brüllmann / A. Morell / H. Lang)

12.03.1912 Protokoll & Beschluß

Sitzung des weiteren Ausschusses

12. März 1912.

Anw.: v. Gemmingen, Mosapp, v. Blum,v. v. Demmler, Eisenlohr, Elsäßer, v. Habermaas, v. Hermann, Hoffmann, Holzinger, Keeser, Kopp, Ludwig, Merz, v. Müller, Pfaff, Rueff, v. Seckendorff, v. Uxkull, Walther.

§ 1.

Der Ausschuß versammelt sich in dem Atelier des Bildhauers Brüllmann, der außer einer vergrößerten Ausführung der Auferstehungsgruppe eine Kreuzigungsgruppe in kleinerem Maßstab angefertigt hat. D. Merz charakterisiert die Entwürfe und hebt die Vorzüge des Auferstehungsentwurfs in geistlicher und formaler Hinsicht hervor. D. v. Gemmingen u. Graf Uxkull äußern ihre Bedenken, ob es angehe, den Wortlaut des ersten Aufrufs: „Unter dem Kreuz Christi sollen stehen“ usw. zu verlassen. Dr. Walther u. D. Holzinger erklären sich als von dem neuen Entwurf völlig überwunden und meinen, wenn etwas künstlerisch Besseres gefunden worden sei, so sei der Ausschuß der Öffentlichkeit gegenüber durchaus gerechtfertigt. In der Abstimmung wird mit allen gegen eine Stimme (Dr. Mosapp, der seinerseits das Abgehen von dem Wortlaut des Aufrufs nicht verantworten zu können glaubt, beschlossen, daß Bildhauer Brüllmann den Auferstehungsentwurf ausführen soll, wobei die Einzelheiten der Ausgestaltung noch vorbehalten werden. Ein Kostenvoranschlag beläuft sich auf 47000 M.; vorhanden sind nach Abzug aller bis jetzt aufgewandten Kosten 58000 M.

§ 2.

Stadtdekan Keeser hat mit Oberbürgermeister Lautenschlager wegen Erwerbung des Denkmalplatzes verhandelt; letzterer hat in Aussicht gestellt, daß der Platz um etwa 500 M. werde abgetreten werden. Der Ausschuß ermächtigt die Vertretung der Kirchengemeinde, die Verhandlungen wegen des Platzerwerb weiterzuführen und erklärt sich bereit, der Kirchengemeinde den Aufwand für den Platzerwerbwenn er den genannten Betrag nicht wesentlich übersteigt, zu ersetzen.

§ 3.

Für Prof. Th. Fischer, der in den vorbereitenden Stadien mancherlei wertvolle künstlerische Anregung u. Beratung gegeben hat, wird ein Honorar von 800 M. ausgesetzt.

§ 4.

Auf Vorschlag von D. Merz soll die Stelle des 2. Vorsitzenden, die durch den Tod von D. v. Weitbrecht erledigt ist, wieder besetzt werden. Aber da die Vorgeschlagenen: Pfaff, v. Heusler, Mosapp, ablehnen, wird die Frage vertagt.

Z.L. der Vorsitzende: der Schriftführer:

D. Freih. v. Gemmingen Mosapp

Quelle: Protokollbuch S. 26 + 27 oben, handschriftlich, Sütterlin, sehr schwer lesbar.

Denkmal - Ausschuss
für das Reformations-Denkmal.
Tagung vom 12. März 1912.

Der Ausschuss beschliesst:

1.) Die Ausführung des Reformationsdenkmals wird auf Grund des vorgeführten Modells mit der Figur des Auferstandenen und auf Grund des angeschlossenen Kostenvoranschlags im Gesamtbetrag von 47 000 M an Bildhauer Jakob Brüllmann - Stuttgart übertragen.

Derselbe verpflichtet sich, die baldige Fertigstellung des Werks in jeder Weise zu fördern und seine ganze Kraft in den Dienst der Aufgabe zu stellen.

Nach Aufstellung des Modells in wirklicher Grösse an Ort und Stelle wird der Ausschuss über die Einzelheiten endgültig entscheiden.

2.) Der Ausschuss stimmt dem zu, dass der für das Denkmal erforderliche Grund und Boden von der Stadt Stuttgart durch den Kirchengemeinderat käuflich erworben wird und beschliesst, dies dem Kirchengemeinderat mitzuteilen. Er ist bereit, die Kosten bis zu 500 M auf den Denkmalsfonds zu übernehmen.

3.) An Professor Dr. Theodor Fischer - München soll unter Anerkennung seiner wertvollen Vorarbeiten und Bemühungen in der Denkmalsache ein Honorar von 800 M zur Ausbezahlung gelangen.

Der Vorsitzende:

v. Gemmingen.

Handschriftlicher Vermerk unten links:

Zu dem Protokoll des
Denkmalausschusses

M

Quelle: maschinengeschriebenes Blatt (A4) im Protokollbuch zwischen S. 23 und 24 eingeklebt – zusammen mit den „Bedingungen“ vom 12.04.1911, dem Preisgericht Ergebnis vom 06.11.1911 und dem Kostenvoranschlag Brüllmann vom 20.11.1911 (siehe jeweils dort)

12.03.1912 Kaufvertrag mit der Stadt Stuttgart

Scan des Kaufvertrags zum Download

21.03.1912 Schwäbische Kronik

24.03.1912 Stuttgarter Evangelisches Gemeindeblatt

Das Komitee für Errichtung eines württembergischen Reformations-Denkmals hat die Ausführung des Denkmals dem Bildhauer Jakob Brüllmann in Stuttgart auf Grund des im engeren Wettbewerb preisgekrönten Entwurfes übertragen. Die Vollendung des Denkmals wird die Zeit von 3 bis 4 Jahren in Anspruch nehmen. Wir hoffen, die Ausführung übertrifft einst den Entwurf so sehr an überzeugender Kraft, daß auch die vielen, die lieber die Reformatoren unter Christi Kreuz dargestellt gesehen hätten, sich mit der vorgezogenen Darstellung befreunden können.

Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt 24.03.1912 - S. 99

21.07.1912 Evangelisches Gemeindeblatt

04.08.1912 Schwarzwälder Bote

29.10.1912 Hofbuchbindemeister Mayer vor dem Engeren Rat

Ansprache von Kirchengemeinderat HofbuchbM. S. Mayer bei der Sitzung des Engeren Rats des Gesamt=Kirchengemeinderats,

v. 29 Oktober 1912.

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Hochgeehrte Herren!

Ich erlaube mir, zunächst den Wortlaut des Aufrufes vom Denkmal=Ausschuß vorzulesen, welcher im Juli vor zwei Jahren erlassen wurde, derselbe lautet (etwas abgekürzt):

„An das evangelische Volk Württembergs!

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Angesichts des herannahenden Reformationsjubiläums im Jahr 1917 scheint uns jetzt der Zeitpunkt gekommen, der dankbaren Freude unseres evang. Volkes an den Segnungen der Reformation durch ein würdiges Denkmal in der Landeshauptstadt sichtbaren u. bleibenden Ausdruck zu geben. Unter dem Kreuz Christi soll „Martin Luther“, der deutsche Reformator, stehen, ihm zur Seite der Reformator Württembergs, „Johannes Brenz“.

Das Denkmal soll in Verbindung mit derjenigen der Alt=Stuttgarter Kirchen errichtet werden, von welcher die Reformation des Landes zuerst ausgegangen ist, der heutigen Hospitalkirche. – Der Unterbau wird Gelegenheit bieten, den übrigen Zeugen der Reformation in Schwaben und den nach jenen Tagen mit Württemberg vereinigten ursprünglichen Gebiete zu bedenken.

Alle, die in der Reformation die größte Tat unserer deutschen Geschichte, eine unerschütterliche Grundlage unseres deutschen Geisteslebens erkennen, alle die in den Helden der Reformation die Erneuerer des Evangeliums dankbar verehren, fordern wir auf, durch ihre Gaben zur Errichtung eines

württembergischen Reformations=Denkmals

beizutragen. – Als leuchtendes Wahrzeichen des evang. Bekenntnisses der großen Mehrheit unseres württemb. Volks werden die Gestalten der großen Reformatoren es verkünden, daß wir furchtlos und frei an den Segnungen der Reformation, an den in schweren Kämpfen errungenen Gute der Gewissensfreiheit festhalten wollen.“

Wie Sie sehen, meine Herren ist hier genau angegeben, in welcher Weise das Denkmal ausgeführt werden soll, die Reformatoren sollen unter dem Kreuz Christi stehen – dem Aufruf entsprechend sind auch die Beiträge hiefür reichlich eingegangen. – Nachdem nun die hiezu nöthige Summe vorhanden war, hat aber das Preisgericht für einen ganz anderen Entwurf sich entschieden und darüber bestimmt.

Die Beitraggebenden sind nun hierüber sehr enttäuscht und nicht zufrieden damit, - viele derselben erklärten brieflich mit sehr zahlreichen Unterschriften versehen, daß sie für den vom Preisgericht bestimmten Entwurf ihren Beitrag nicht gegeben haben, andere, welche noch keinen Beitrag gegeben haben, fragten: daß sie recht gerne einen Beitrag geben werden, sobald ein anderer Entwurf vorhanden sei, welcher nicht einem Grabdenkmal gleich sieht, wie der vom Preisgericht bestimmte Entwurf.

Niemand von unseren evangelischen Mitstreitern wird ein Reformations=Denkmal in diesem Sinne sich denken, und die katholischen Schriften u. andere werden uns nur auslachen. – Auch wir sämtliche Kirchengemeinderäte unserer Hospitalkirche wünschen ein Reformationsdenkmal mit stehenden Reformatoren, - einem stehenden Luther, nicht sitzende.

Wir haben das völlige Vertrauen zu dem Künstler, Bildhauer Brüllmann, daß er auch ein Denkmal mit stehenden Reformatoren schön ausführen wird. Was nun den praktischen Gesichtspunkt anbelangt, so ist ein Denkmal mit stehenden Reformatoren, welche durch die aufrecht stehende Haltung, dadurch vom Boden aus auch höher gestellt werden müssen, und nicht ganz direkt auf dem Boden stehen, wie bei dem vom Preisgericht bestimmten Entwurf, - viel geschützter dem Publikum gegenüber, - der Hospitalplatz ist ein Spielplatz für die Kinder, und wie gar bald wäre bei sitzenden Figuren etwas verderbt. Jedermann kennt ja die heutige Jugend wie rücksichtslos dieselbe ist.

Diesen Bedenken kommt der zuerst gedachte u. geplante Entwurf mit stehenden Reformatoren in ganz anderer Weise entgegen, als bei dem von dem Preisgericht bestimmten Entwurf!

Um mich genau über die Sache zu informieren, war ich gestern im Atelier des Künstlers, und überzeugte mich davon, daß noch sehr wenig an dem Denkmal gearbeitet ist. Der Künstler, Herr Brüllmann ist seit 3 Wochen in Italien, und wird nicht bis Mitte November, wie mir dessen Arbeiter sagte, wieder von dort zurückkommen. Der betreffende Gehilfe, welcher mir die Sache zeigte, sagte daß wohl ein Jahr herumgehe, bis man ein ordentliches Modell sehen könnte.

Mein Gesamteindruck über die Arbeit war kein guter, ich erschrack förmlich, nicht die halbfertige Arbeit schreckte mich ab, das konnte ich als Handwerksmann gut selbst beurteilen, aber was mir einen ganzen Widerwillen dabei gab, das war der „Sarg“ (obwohl er schön verziert war) und die sitzenden Reformatoren, das Modell das ich sah, war nur ein Drittel der Größe wie es ausgeführt werden soll, - ich mußte mir dabei sagen, was wird wohl das für einen abschreckenden Eindruck machen, wenn es nicht in ganzer Größe ausgeführt ist.

Deshalb bitte meine Herren handeln Sie rücksichtsvoll, und bedenken sie, daß das Denkmal für unser ganzes württemb. evangelisches Volk bestimmt ist, es soll nicht blos ein Symbol sein das einem Grabdenkmal gleich sieht, es sollte auch dem Volksempfinden Rechnung getragen werden, so daß Jedermann sofort daran erkenne, „das ist unser Reformationsdenkmal“ und sich darüber freuen darf, so daß auch spätere Generationen es rühmen werden, daß es als ein würdiges Denkmal zur Ehre Gottes dasteht.

Der Engere Rat beschließt

In der Denkmals=Frage eine zustimmende Stellung einzunehmen und das Anerbieten des Denkmals=Comites anzunehmen, zu einer späteren Besichtigung u. Besprechung Gelegenheit zu geben unter Beiziehung des Kirchengemeinderats der Hospitalkirche.

Sitzung v. 29 Oktober 1912.

________________________________

Die Kirchengemeinderäte der Hospitalkirche sind:

Herr Präsident von Haag,
„ Dr. von Lechler,
„ Ministerialrat Dr. Bosler
„ Apotheker Otto Sz.
„ Kaufmann A. Meyding
„ Hof##tiar Kortlebeyky
„ Hofbuchbindermeister Mayer
„ Oberbaurat Stahl
„ Gemeinschaftspfleger Lotze
„ Bäckermeister Strähle
„ Fabrikant Mühlhäuser
„ Hof###meister Gohl.

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Quelle: 3 Seiten (auf 1 Doppelbogen) + 1 Seite handschriftlich, schwer lesbar / ### = nicht entziffert

31.10.1913 Süddeutsche Zeitung

03.11.1913 Der König

(gedruckt:)
Der Kabinettschef
Sr. Maj. des Königs
von württemberg

(Schreibmaschine:)

Stuttgart, den 3. November 1913.

Excellenz !

Seine Majestät der König ist bereit, demnächst im Atelier des Herrn Bildhauer Brühlmann einen Besuch abzustatten. Seine Majestät hat Sich die Sache bemerkt und mir versprochen, Tag und Stunde des Besuchs rechtzeitig mitzuteilen, worauf ich alsbald Eure Excellenz und Herrn Brühlmann benachrichtigen werde. Es ist aber, wie gesagt, nicht ganz ausgeschlossen, daß Seine Majestät einen dieser Tage ganz plötzlich bei Brühlmann erscheint, ohne daß ich selbst vorher etwas davon weiß.

Verehrungsvoll

Eurer Excellenz ergebenster

###

(handschriftlich unten links:)

der Besuch S.M.d.K. wurde am 6. November
ausgeführt in Anwesenheit des Künstlers sowie
des Vorsitzenden und Mitvorsitzenden des Vereins
zur Errichtung eines Ref.Denkmals, D. Frhr von
Gemmingen und Prälat Dr. Merz.
S.M.d.K. gab seinem Wohlgefallen an dem Entwurfe
Ausdruck.
v. Gem.

Quelle: 1 S. maschinengeschrieben (siehe auch 06.11.1911)

November 1913 - Aufruf von Buchbindemeister Mayer (3 Dokumente)

November 1913 - Die Auseinandersetzung in der Presse I

17.11.1913 Schwäbische Kronik

Zum Reformationsdenkmal in Stuttgart.

Es geht uns eine Zuschrift zu, der wir Nachstehendes entnehmen:

E.F. Je näher die Zeit der Ausführung des Reformationsdenkmales heranrückt, desto mehr wird in den Kreisen der Freunde der Sache und der vielen Spender aufs neue wieder lebhaft die Frage erhoben, welcher Entwurf entspricht am meisten dem Empfinden unseres evang. Volkes und dem im seinerzeitigen Aufruf ausgedrückten Gedanken. Bei dem von dem Preisgericht gewählten Entwurf entspricht die Anordnung – ein aus einem Sarkophag aufstehender Christus als Hauptfigur. Der Reformator Luther und Brenz als sitzende Nebenfiguren – keineswegs dem im Ausschreiben näher bezeichneten Verlangten. Dann wird man sich doch unter einem Lutherdenkmal alles andere als eine Art Grabdenkmal mit Sarkophag und Christusfigur denken! Wir wünschen in einem Lutherdenkmal die kraftvolle, aufgerichtete Gestalt unseres Reformators „Hier steh‘ ich. Ich kann nicht anders“ zu sehen, zu dem wir mit Verehrung aufblicken und von dem eine Begeisterung in die Beschauer hineingetragen wird. Wir suchen und wünschen eine Luthergestalt, die auf die Beschauer einwirkt, sie begeistert und zum Nachdenken veranlaßt, einen glaubensstarken, gewaltigen Luther! Möge der Denkmalausschuß sich jetzt, wo es noch Zeit ist, entschließen, einen Entwurf aus stehendem Luther den Vorzug zu geben und diesen ausführen zu lassen, dann entspricht er den Wünschen und Gefühlen der weitesten Kreise des evangel. Volkes und errichtet ein Denkmal, das auf ewige Zeit eine Zierde für unsere Stadt und ein Zeichen evang. Freiheit und evang. Bekenntnisses zur Freude der evang. Glaubensgenossen sein wird.

Vom Ausschuß für das württ. Reformationsdenkmal wird uns geschrieben: „Die bei der Einleitung der Sammlungen in Aussicht genommene Darstellung von Luther und Brenz unter dem Kreuz Christi konnte, da der wiederholte Wettbewerb einen befriedigenden Entwurf in dieser Richtung nicht gebracht hatte, nicht festgehalten werden, dagegen wurde der Entwurf des Bildhauer Brüllmann=Stuttgart, der die Gestalt des Auferstandenen zum Mittelpunkt des Denkmals macht, auf einstimmigen Vorschlag der Sachverständigen durch Beschluß des Denkmalausschusses zur Ausführung angenommen und ein entsprechender Vertrag mit Brüllmann abgeschlossen. Das Tonmodell in Ausführungsgröße ist jetzt soweit vollendet, daß man die edle Schönheit der hoheitsvollen Figur Christi und der von geistigem Leben erfüllten Reformatorengestalten zu erkennen vermag. Die gegen den Entwurf hervorgetretene Agitation verkennt die Rechtslage und kann an der tatsächlichen Lage nichts ändern. Das dabei verwendete Klischee der ersten, ganz flüchtigen Skizze Brüllmanns ist keine geeignete Grundlage für die Beurteilung der Absichten des Entwurfs zumal in seiner jetzigen Weiterbildung. Bei der weiteren Bearbeitung hat sich auch die Möglichkeit gezeigt, mit dem Entwurf den Gedanken des Kreuzes Christi zu verbinden. Das Gesamtkomitee wird in dieser Angelegenheit demnächst zusammentreten.“

Schwäbische Kronik 17.11.1913

18.11.1913 Süddeutsche Zeitung

21.11.1913 Süddeutsche Zeitung

20.11.1913 Schwäbische Kronik

Das Reformationsdenkmal in Stuttgart.

Wir erhalten folgende Zuschrift:

Der mit der Ausführung des Stuttgarter Reformationsdenkmals beauftragte Bildhauer Brüllmann hat seine zur Ausführung bestimmte Skizze jetzt soweit herausgearbeitet, daß man sehen kann, was er will und was er kann. Wenn der Streit um die künstlerische Fassung des Denkmals wiederkehrt, so ist das insofern verständlich, als es schwer ist, sich von alten Vorstellungen des Wormser Denkmals oder von Theorien der ersten Preisbewerbung loszumachen. Aber die Wiederholung oder künstlerische Steigerung des populären Wormser Typus kann weder im Sinne einer Denkmalskommission, noch im Kunstwillen eines einzelnen Volksstammes liegen. Am allerwenigsten im Kunstwissen der Schwaben, die doch auch sonst ihre eigenen Wege gehen. Und da auch die Prägung der Reformation in unserem Württemberger Land ihr eigenes Gesicht hat, so liegt auch für die künstlerische Gestaltung eines religiös und kulturell so bedeutsamen Werkes, wie das eines Reformationsdenkmals, kein Anlaß vor, alte Wege neu zu treten.

Man bedauert, daß das zu erwartende Denkmal von Brüllmann nicht Luther als Hauptfigur oder Christus, den Gekreuzigten als Hauptfigur hat. Zu beidem ist kein Anlaß. Luther ist in das Leben der schwäbischen Reformation als Person nicht in dem Maße eingetreten, wie etwa in Worms. Wer weiß, wie z. B. in der Ulmer Reformation zunächst Zwingli der Beherrschende war und wie die oberländische Reformation von 1531 Zwinglis Geist geatmet hat, der wird schon historisch anerkennen müssen, daß Männer wie Brenz in ihrer sonderschwäbischen Art ein starker Anteil am schwäbischen Reformationstypus zukommt. Daß damit von Luthers Verdienst nichts genommen wird, ist selbstverständlich.

Wenn also ein schwäbisches Reformationsdenkmal Luther nicht als Zentral=Figur künstlerisch plastisch in die Mitte stellt, so ist das verständlich. Und wenn nun auch Christus der Gekreuzigte nicht den Mittelpunkt der großen Reformationsgruppe bilden soll, so ist auch das zu begründen. Schon das eigene Erleben rückt in unserer Zeit der reinen Diesseitigkeit den überragenden religiösen Gedanken der Auferstehung uns wieder näher. Ich habe z. B. am Himmelfahrtstag dieses Jahres mit dem Leiter einer altpietistischen Gemeinschaft ein Gespräch darüber gehabt, daß der gen Himmel gefahrene und auferstandene Christus viel zu wenig in den Gesichtskreis unseres Glaubensgedanken tritt. Der Zufall hat es voriges Jahr gegeben, daß ich bei meiner Investiturpredigt ein Wort zum Thema nahm, das in der Grabkapelle der alten Ulmer Reformatoren - Familie der Patrizier von Ehinger in Unterbalzheim – auf einem kunstgeschichtlich bekannten Epitaph steht:

Die Auferstehung Christi macht,

Daß uns hie keins des Scheidens acht.

In den Vätern und Vorkämpfern der Reformation war der Gedanke der Auferstehung lebendig. Luther ist sein „Christus lebt“ oft Leitstern in schweren Stunden der Entscheidung gewesen. Ein Holzschnitt der Lukas Cranachschule feiert die Reformation in der Darstellung des dem Grabe entsteigenden Auferstandenen, um dessen Steinsarg allerlei Mönche an Stelle der schlafenden Kriegsknechte liegen. Wenn wir heute menschlich reden und denken: Was gibt es Größeres, als den Gedanken der Auferstehung? – Es zeugt auch von der bemerkenswerten eigenen religiösen Art des Künstlers Brüllmann, daß er ohne theologische Reflexion von sich aus zu einer Komposition kommt, welche das Auferstehungsmotiv in den Mittelpunkt des Denkmals stellte. So soll nun das Württemberger Volk ein Reformationsdenkmal erhalten, in welchem dieser Gedanke das Beherrschende ist – Auferstehung. Kein Christ irgendwelcher Art seines Glaubens wird also, wenn er auf die Wurzeln der Reformation zurückgräbt, sagen können, daß unser zu erwartendes Denkmal begriffswidrig sei.

Wenn nun einmal Luther historisch bei einem schwäbischen Reformationsdenkmal nicht zwingend in den „künstlerischen“ Mittelpunkt gesetzt werden muß, so ist ein Denkmal mit dem beherrschenden Gedanken der Auferstehung Christi mindestens eine einwandfreie Sache. Da nun aber die Reformatoren selbst keine Freunde von Menschenvergötterung waren und wir Schwaben es auch nicht sind, so ist es verständlich, wenn der Christus mit der Siegesfahne das ganzen Menschenwerk überragt und die Menschengestalten Luther und Zwingli möglichst von der zentralen Auferstehungsgruppe weggerückt erscheinen. Wie das künstlerisch gemacht werden soll, darüber kann man verschiedener Meinung sein. Jedenfalls hat die Lösung von Brüllmann sehr viel für sich. Die Gebundenheit an den Raum, an die nüchternen Formen der äußeren gotischen Kirche hat den Künstler mehr gebunden, als ihm wohl selbst lieb war. Wer aber an dem jetzigen Entwurf alle die Ausmessungen und Einfügungen in Ueberschneidungen nachdenkt, wird den Eindruck einer großen Leistung kaum unterdrücken können und wird, wenn seinerzeit die Intention des Künstlers durchgeführt ist, im Maßwerk des dahinterliegenden Fensters einen Kruzifixus anzubringen – auch nach dieser theologischen Seite hin einen versöhnenden Ansatz begrüßen können.

Wer vor das Denkmal tritt, hat die große Gestalt des Auferstandenen in der Höhe vor sich. In klarer, fast freundlicher Ruhe ist das Antlitz herausgearbeitet. Wer von dem unglückseligen Christusbild von Becker=Gundahl in der Kunstaustellung eingenommen ist gegen moderne Gefühlsverletzung christlicher Anschauung, der wird diesem Christustypus um so lebhafter zustimmen. Dieser behält die traditionelle Linie bei, ohne Kopie alter Vorbilder zu sein. Man hat sich an dem Sarkophag gestoßen, aus dem Christus aufsteigt. Das war auch tatsächlich das Mißlungene am ersten Entwurf. Die Fugur Christi ist nur noch mehr in ihrer mehr reliefmäßigen Prägung mit der Siegesfahne ins symbolische gerückt, so daß man sieht, daß der Sarkophag ebenfalls nur Symbolik ist, so wie der Sarkophag unabhängig von den übrigen figurellen Kompositionen auch in der alten Kunst oftmals eine architektonische Einheit für sich gebildet hat.

Zu dem originellsten an Brüllmanns Denkmal gehört die Lösung, daß er Luther und Brenz in sitzender Figur rechts und links an die an und für sich kahlen und prosaischen Pfeiler versetzt hat. Es ist damit eine glückliche Horizontalgliederung gegeben als Gegengewicht gegen die stark ansteigende Vertikale der Mittelgruppe. Es kommt damit zugleich aber auch eine vornehme, wohltuende Ruhe in das ganze Denkmal. Man fühlt es diesen sitzenden, ganz mit ihren inneren Visionen beschäftigten Männern an, wie gewaltig und friedigend zugleich die Wirkungen sind, die von dem Auferstandenen hoch zu ihren Häuptern in ihre Seele einströmen. Die Preisrichter für das Bismarckdenkmal am Rhein haben dem geistigen Wert der sitzenden Menschenfigur den treffenden Ausdruck gegeben, als sie sich für den Bismarck in sitzender Gestalt entschlossen: „Die Gestalt sitzend, bedeutender in der Wirkung als stehend, weil das gewaltige Haupt uns näher ist und die ganze Gestalt unmittelbarer als eine monumentale Einheit wirkt.“ Vom Beschauer rechts ist also Luther sitzend. Nachdem die Plastik einen sitzenden Beethoven und einen sitzenden Bismarck geschaffen hat, und auch der Luther auf dem Leipziger Denkmal sitzend dargestellt ist, werden wir uns auch mit einem sitzenden Luther auf diesem Reformationsdenkmal aussöhnen. Brüllmann wollte und konnte neben dem Bekenntnis zu dem auferstandenen Christus nicht noch einmal einen Bekenner stellen. Also ein sitzender Luther. Aber in geistiger Beziehung zum Graberstandenen. Luther sitzt in scheinbar fast behaglicher Situation – für uns Schwaben nicht unverständlich – mit der Bibel auf den beiden Knien. Sein Talar ist ganz einfach gefaltet, nur fast zu realistisch. Er hat eben gelesen. Da kommt der Geist dessen, der ihm zur Rechten thront, über ihn. Die rechte Hand auf dem Bibelblatt tut sich auf wie um eine Offenbarung zu fassen, zu halten, schriftbereit und gelöst von zusammengeballten Ringen. Der Kopf Luthers erhebt sich leicht und sieht in die Ferne. Ein untheatralischer Ausdruck von Inspiration. Der ganze Luther ist sehr natürlich. Vielleicht den Freunden der großen Helden=Pose unwillkommen. Aber unser moderner natürlicher Sinn und unser schwäbisches Volk wird sich mit diesem guten Vater Doktor Luther wohl bald anfreunden. Der geistige Ausdruck ist bedeutend. Man sieht wie Brüllmann die Lutherbilder bis zum neuesten Lukas Cranach=Fund studiert hat. Der Mund, der Lukas Cranach so viel Schwierigkeiten gemacht hat, da er zweifellos künstlerisch das schwerste in Luthers Gesicht war, ist mit seiner Milderung der Derbheit gebildet. An diesem Mund ist „des Bauern Sohn“ geschrieben gestanden, aber die Umbildung in den Redner des göttlichen Worts hat diesen Propheten nun geadelt. Zur Linken sitzt Brenz, eine in sich gekehrte Figur, absichtlich Luther gegenüber etwas zurückhaltend. Dieser Typus ist vom Künstler noch nicht durchgearbeitet.

Vor dem Denkmal stehen rechts und links Schranken mit Reliefs geschmückt: rechts – unter Luther, der Bauer, der mit seinem Ochsengespann den harten Boden durchfurcht – links der Sämann, das pflanzende Weib und die erntenden Kinder mit Vater und Mutter. Unschwer ist die Deutung und lieblich, wenn wir etwa mit unserer Jugend vor das Luther=Denkmal treten und ihr den ganzen großen geistigen Zusammenhang dieses Gebildes aus Stein erklären. Stilistisch und ideell ist das ganze Monument wundervoll abgewogen, wie von diesen Reliefs aus dem praktischen Leben hinauf zu den zwei Männern der Welt= und Geistesgeschichte und empor zu dem auferstandenen Heiland über der Welt sich die künstlerischen und religiösen Motive steigern. Wenn die Gemüter sich beruhigt haben und wenn der Künstler in Ruhe vollends eins geworden ist mit seinem Werk – Kunst braucht Stille – dann werden wir, im Vergleich zu allen bisherigen Denkmalen der Reformation, sehen, daß wir Schwaben ein Reformationsdenkmal haben, das ebenso weit abliegt von der Landstraße der herkömmlichen Dinge, wie unsere Schwabenart selbst. Ein Denkmal, das in dieser Eigenart seine geistige, religiöse, geschichtliche und volksmäßige Berechtigung hat.

D. David Koch

Schwäbische Kronik 20.11.1913

21.11.1913 Schwäbische Kronik

Zum Stuttgarter Reformationsdenkmal geht uns noch eine Zuschrift zu, der wir nachstehendes entnehmen:

E. F. In der Erklärung des Denkmalausschusses für das Reformationsdenkmal muß es einen seltsam berühren, daß bei dem Wettbewerb die Sachverständigen kein einziges „Luther“=Denkmal zur Annahme würdig gefunden haben, sondern daß die Wahl des Preisgerichts ausgerechnet auf ein „Grabdenkmal“ mit Luther als reine Nebenfigur, gefallen ist. Die Verwendung des Kreuzes ist bei diesem Denkmal nicht gerade unbedingte Notwendigkeit, Anlaß zur Klage gibt uns vielmehr die nebensächliche Behandlung der Person Luthers, die wir uns als Hauptsache, als Mittelpunkt des ganzen Denkmals wünschen müssen. Hierin liegt der Hauptgrund unserer Beanstandung, und wie sehr wir damit die weitaus überwiegende Ansicht der früheren Spender vertreten, zeigen uns deutlich die auf die Umfrage eingegangenen Antworten. Wie wir erfahren, sind bis heute etwa 1000 für Entwurf 1 zustimmende Erklärungen, zum Teil in Begleitung von scharfen Meinungsäußerungen, eingegangen, denen nur 30 für Entwurf 2 gegenüberstehen. Daraus sollte der Denkmalausschuß das Urteil unserer evang. Gemeindeglieder erkennen, dieser Stimmung durch Aenderung seiner Entschließung Rechnung tragen und sich nicht auf einen Entwurf versteifen, der in weiteren Kreisen unserer evang. Bevölkerung einmal eben keinen Beifall findet. Die Rechtslage und die damit verbundene augenblickliche Schwierigkeit für den Denkmalausschuß verkennen wir keineswegs, aber wir wissen auch, daß es Mittel und Wege, z. B. Abfindungen, gibt, um diese bei gutem Willen zu überwinden.

Schwäbische Kronik 21.11.1913

22.11.1913 Ludwigsburger Zeitung

22.11.1913 Schwäbische Kronik

Der Streit über das Reformationsdenkmal.

Wir werden um Aufnahme nachstehender Ausführungen gebeten:

Von einem Streit muß man nach den Vorkommnissen der letzten Wochen leider reden. Die eingehendsten sachverständigen Darstellungen über die Vortrefflichkeit des von dem Komitee gewählten Brüllmann‘schen Entwurfs haben nicht zu hindern vermocht, daß eine leidenschaftliche Agitation begonnen hat, welche die Ausführung des Entwurfs sogar mittelst einer Art von Volksabstimmung zu verhindern sucht. Man wird nicht fehlgehen, wenn man die Möglichkeit einer derartigen Agitation in Zusammenhang sieht mit den Verirrungen auf dem Gebiet religiöser Kunst, welche auf der „Großen Kunstausstellung“ dieses Jahres zu Tage traten. Dadurch ist das Mißtrauen gegen das Urteil der heutigen Kunstverständigen so hochgradig gestiegen, daß auch der umgearbeitete Entwurf des Brüllmann’schen Reformationsdenkmals sehr schwer tut, die gebührende Anerkennung in der Oeffentlichkeit zu erringen, gerade weil er von den Sachverständigen allgemein gelobt wird. Das sind beklagenswerte Verhältnisse!

22.11.1913 Schwäbische Kronik (Fortsetzung)

Was den erwähnten Versuch einer Volksabstimmung betrifft, so geht dieselbe von privater Seite aus und ist in folgender Weise ins Werk gesetzt worden. Viele Hunderte, wenn nicht Tausende der Geber, die zu dem Denkmal beigesteuert haben, erhalten eine gedruckte Zuschrift, in der sie aufgefordert werden, sich durch Ausfüllung einer beiliegenden gedruckten und frankierten Postkarte zu entscheiden, ob sie „Entwurf 1“ oder „Entwurf 2“ durch den vom Komitee beauftragten Bildhauer Brüllmann ausgeführt wissen wollen. Entwurf 2 ist die sehr schlecht gelungene Abbildung des längst überholten zweiten Modells Brüllmanns; „Entwurf 1“ aber ist gar kein Entwurf eines Bildhauers, sondern eine von einem Zeichner gefertigte Skizze, deren plastische Darstellung noch gar nicht versucht worden ist! Diese Skizze schließt sich in der Gruppierung von Brüllmanns Plan an, namentlich dadurch, daß vor die beiden Strebepfeiler der Kirche zwei sitzende Figuren kommen sollen, Herzog Christof und Melanchton – ein seltsames Paar! In die Mitte aber vor das hohe Kirchenfenster soll auf einen ganz ähnlichen Aufbau wie ihn Brüllmann hat, ein großes, kahles Kreuz stehen und davor die Gestalten von Luther und Brenz. Brüllmanns Plan scheint also nicht so ganz übel zu sein, wenn der ganze Aufbau der Gruppe, besonders die geniale Ueberwindung der durch die Strebepfeiler entstehenden Schwierigkeit vermittelst der rechts und links vor denselben sitzenden Figuren von ihm entlehnt wird! Was aber das kahle Kreuz in der Mitte betrifft, vor dem Luther und Brenz stehen sollen, so prägt dasselbe dem Ganzen so sehr den Charakter eines Grabmals auf, daß man nicht verstehen kann, warum man nicht diesem Entwurf den Vorwurf macht, daß er ein Grabmal der Reformation zu werden drohe. Solche leeren Kreuze setzen wir doch auf die Gräber! Auf der abgebildeten Zeichnung ist freilich das Grabkreuz durch die beiden Reformatorengestalten teilweise verdeckt. Stünde dieses Kreuz in plastischer Wirklichkeit und der nötigen Größe vor uns, so würde jedermann den Eindruck haben: hier stehen Luther und Brenz auf dem Grabhügel der Reformation!

Ueberhaupt! Wir wollen ja den Führern der gegen den Brüllmann’schen Entwurf gerichteten Protestbewegung gerne zugestehen, daß sie in guter Meinung und im Eifer um die Sache kämpfen. Aber es muß doch gesagt werden, daß es eine Irreführung der öffentlichen Meinung ist, wenn durch das Flugblatt der Anschein erweckt wird, als ob es sich bei dem sogen. Entwurf 1 um den Plan eines Bildhauers handeln würde, für den irgendwelche Vorarbeit vorläge. Wenn man auf Grund einer leichten zeichnerischen Skizze ein Urteil darüber gewinnen könnte, wie sich ein noch nicht einmal als Modell ausgearbeitetes Denkmal an einem bestimmten Ort ausnimmt, dann wäre es nicht nötig gewesen, eine zweimalige Konkurrenz zur Gewinnung von Entwürfen für ein Reformationsdenkmal auszuschreiben; dann hätte sich das Komitee gleichfalls in der Geschwindigkeit einige Skizzen von mehr oder minder geschickten Zeichnern machen lassen können und darnach sich entschieden – wie die mehr als 1000 Personen, die nach Nr. 544 des Schwäbischen Merkur zu gunsten des nur in einer Zeichnung vorliegenden Entwurfs 1 abgestimmt haben.

Warum hat aber das Komitee den ursprünglich von Theodor Fischer empfohlenen Gedanken: „Luther und Brenz vor dem Bild des Gekreuzigten (nicht vor einem leeren Grabkreuz) verlassen, obwohl derselbe auch in dem Aufruf genannt war? Aus dem einfachen Grund, weil bei den veranstalteten Konkurrenzen keine befriedigende Lösung für diesen Gedanken zutag kam. Die Stellung des Denkmals zwischen den beiden Strebepfeilern vor dem hohen Fenster hat die Aufgabe sicherlich erschwert. Aber das Komitee hat den ursprünglichen Gedanken über die Gestaltung des Denkmals nicht leichten Herzens fahren lassen. Auch als Brüllmann auf Grund des Ergebnisses der zweiten Konkurrenz den Auftrag zur Ausführung erhielt, wurde ihm ausdrücklich aufgetragen, nochmals zu prüfen, ob der ursprüngliche Fischer’sche Gedanke sich nicht doch noch verwirklichen lasse. Erst als auch Brüllmann nach einigen Versuchen erklären mußte, daß sich die Sache nicht machen lasse, hat das Komitee nachgegeben. Inzwischen hat der Künstler so erfolgreich gearbeitet, daß sogar solche, die sein jetziges Modell mit Vorurteilen besehen, von der Lebenswahrheit und Kraft der Gestalten des Auferstandenen und Luthers überwältigt werden.

Möge deshalb der häßliche Streit bald verstummen! Man bedenke nur, was für einen Eindruck die Draußenstehenden von den innerhalb der evangelischen Kirche herrschenden Zuständen bekommen, wenn wir uns nicht einigen können und solch abgrundtiefes Mißtrauen gegen das Können und Verstehen derjenigen an den Tag legen, denen doch ohne Widerspruch die Aufgabe anvertraut worden ist, für die Errichtung eines würdigen württ. Reformationsdenkmals zu sorgen.

Stadtpfarrer Dr. Walther.

Schwäbische Kronik 22.11.1913

24.11.1913 Protokoll

Sitzung des Gesamtausschusses

Im Atelier Brüllmann,

24. November 1913.

Anwesend: v. Blum, v. Buhl, Hz. V. Demmler, Eisenlohr, Elsäßer, v. Haug, Heller, v. Hermann, D. Hoffmann, D. Holzinger, Kopp, v. Kübel, Kübel, Ludwig, D. v. Merz, D. Planck, Rueff, Frh. V. Seckendorff, Graf Uxkull-Gyllenband, D. Walther, D. Weizsäcker, v. Zeller – und der Vorsitzende Exzellenz Frhr. V. Gemmingen.

Abw. entsch. Mosapp, Eichele, Beringer (krank), Egelhaaf, Hartenstein, v. Hieber, v. Keeser, v. Kraut, v. Lechler, Graf Leutrum, Prof. D. v. Müller, Pfaff, v. Scheuerlen (krank)

§ 1.

Prälat D. v. Merz verliest eine Anzahl von Zuschriften heute verhinderter Mitglieder, die sich, nachdem sie fast alle den Entwurf im jetzigen Stand gesehen haben, alle zustimmend äußern. Es sind die Herren: Direktor von Scheuerlein, Hofrat D. Mosapp, Prälat v. Keeser, Beringer, von Hartenstein, Prof. D. v. Müller – Tübingen, Geh. Hofrat Pfaff (*). – Dr. Mosapp hat am 12. III 12 allein nicht zugestimmt mit Rücksicht auf den Wortlaut des Aufrufs. Er hofft, daß ein Maßwerk des Luther u. das Kreuz dargestellt werden kann. Geh.Hofr. Pfaff stellt seine Bedenken zurück ohne Gelegenheit gehabt zu haben, den jetzigen Stand der Entwürfe zu sehen. Prof. Müller hat die ### misfallen.

(*) Geh. Hofrat Pfaff hat mündlich dem Vors. gegenüber seine Zustimmung ausgesprochen.

§ 2.

Der Vors. Exz. V. Gemmingen begrüßt den Gesamtausschuß und knüpft an die Verhandlungen vom 12. III 12 an. Der frühe Entwurf („unter dem Kreuz“) sei verlassen worden aus dem äußeren Grund, weil ein geeigneter dieser Art nicht mehr zur Verfügung stand und aus dem inneren, weil man sich überzeugt habe, daß in dem Brüllmannschen Entwurf (Auferstehung) der Gedanke der Reformation innerlich und würdig dargestellt sei und darin Luthers „Christus vivit“ lebendig zum Ausdruck komme. „Wir stehen noch auf demselben Standpunkt“ (wie am 12. III. 12). Hierzu erhebt sich kein Widerspruch. Vielmehr kommt es zu einer

§ 3.

Zustimmenden Aussprache. Exz. Hofrat v. Buhl: Früher sei er nicht mit vollem Herzen dabei gewesen, heute empfindet er, das Modell stehe es vollständig auf dem Boden des Entwurfs. Graf Uxkull schließt sich dem an. Die früheren Bedenken, Luther komme nicht voll zur Geltung sei überwunden. Ebenso Dr. Planck: das Klischee, das man früher gesehen, habe ihm die Entscheidung schwer gemacht; jetzt stimme er aus Überzeugung zu, Er sei sei hingenommen von der inneren Schönheit der Lutherfigur; auch der Sarkophag sei jetzt einwandfrei. Der Vors. v. Gemmingen erklärt sich für ganz überzeugt. Professor v. Haug: er sei durchaus befriedigt, es sind nur noch Kleinigkeiten im Ornamentalen zu ändern. Präl. D. v. Merz teilt mit, daß Prof. Theodor Fischer kürzlich hier gewesen sei und sich dabei ausgesprochen habe: früher habe er in Einzelheiten Bedenken gehabt, nun sei er mit voller Überzeugung für den Entwurf.

Prof. v. Zeller hebt hervor, diese Stellungnahme Bither sei besonders wertvoll gegenüber den Einwänden in der Presse, die Bither Idee dem Brüllmannschen Entwurf entgegenzustellen. Er sieht in dem neuen Entwurf keinen Widerspruch zum Aufruf. Die Auffassung des Satzes im Aufruf: „Unter dem Kreuz Christi sollen die Reformatoren stehen“ kann man mehr als eine mehrfach

bindende conditio sine qua non auffassen.

Vors. v. Gemmingen kommt auf die Rechtsfrage zu sprechen. Er bedauert die unwürdige Agitation gegen den Entwurf. Er habe Herrn Hofbuchbinder Mayer gesagt, daß er bei ihm keine Unterstützung finde. Die Geber können den Satz im Aufruf nur als wohlerwogenen Vorschlag aufgefasst haben. ###. Dr. Walther teilt mit, der Hospitalkirchengemeinderat habe bereits einen schriftlichen Protest eingelegt. (Wie nachträglich bekannt wird, lautet der letzte Beschluß des K.G.R.s nun freundl., milder). Der Vorschlag von Präsident von Zeller, ein Gutachten über die Rechtsfrage von einem angesehenem Juristen einzuholen, führt nach eingehender Besprechung zu dem

Beschluß:

Zunächst, wenn nötig, Staatsrat v. Lohmüller um ein solches Gutachten für den Ausschuß zu bitten, um es für alle Fälle in der Hand zu haben, aber von einer Veröffentlichung desselben vorläufig abzusehen. Mit Staatsr. v. Lohmüller wird der Vorsitzende selbst sprechen.

§ 4.

Über die Frage weiterer Veröffentlichungen wird eingehend beraten. Die allgemeine Meinung geht dahin, daß nichts veröffentlicht werden soll, ehe der engere Rat der Gesamtkirchengemeinde auf den Protest des Kirchengemeinderats der Hospitalkirche hin einen Beschluß gefasst hat. Dann aber sollte etwas geschehen, um die durch die Agitation irrgeführte öffentliche Meinung zurückzubringen. Auf Antrag von Prof. Dr. Weizsäcker wird

beschlossen

der Vorsitzende, Prälat D. v. Merz, Hofprediger Dr. Hoffmann u. Konstr. Dr. Walther sollen mit dem Recht der Zuwahl, einen engeren Ausschuß für die Mitteilung an die Presse bilden. * s.u.!

(Bei dieser Verhandlung wird besonders darauf hingewiesen, daß es unverantwortlich sei, das schon vor einem Jahr als gänzlich unzulänglich und überholt bezeichnete Klischee und eine, neu eine ### genannte Prüfung, die dem Ausschuß nie vorgelegen hat, aber als „Entwurf“ bezeichnet wird, in einem agitatorischen Flugblatt vorzuführen.)

* die Veröffentlichung ist von allen Ausschußmitgliedern zu unterzeichnen.

§ 5.

Betreffend der Anbringung des Kreuzes im Maßwerk wird nach längerer Besprechung, in der Hofr. Hoffmann für mindest die ganze Höhe des Luthers gesamtes Kreuz eintritt

beschlossen

die Beschlußfassung ausgesetzt sein zu lassen.

(Satz gestrichen: Dem Künstler keine bestimmte Auflagen, das Kreuz anzubringen, zu machen, sondern das seinem künstlerischen Ermessen anheim-zustellen.)

§ 6.

Auf Antrag D. v. Merz wird einstimmig

beschlossen

Herrn Bildhauer Brüllmann angesichts der schon bis jetzt vollbrachten künstlerischen Leistung eine Abschlagszahlung zu geben und hierfür die Summe von 8000 M. bei dem Büro anzuweisen.

§ 7.

Es wird ausdrücklich festgestellt, daß, nachdem morgen und über-morgen der engere Rat des Kirchengemeinderats u. der K.G.R. der Hospitalkirche den Entwurf besichtigt haben werden, die Zugäng-lichkeit des Ateliers mehr beschränkt sei und keinerlei Massenbesichtigung zulässig sei.

§ 8.

Der Vorsitzende spricht Herrn Brüllmann den Dank und die Anerkennung des Ausschusses für das bisher Geleistete aus und bezeichnet es als die Willenserinnerung des Ausschusses, daß der Künstler auf dem eingeschlagenen Weg in seiner Arbeit fortfahre.

Z.L. der Vorsitzende: der Schriftführer:

D. Freih. v. Gemmingen ZL.

Hoffmann.

Quelle: Protokollbuch S. 27 Mitte – S. 30, handschriftlich, Sütterlin, extrem schwer lesbar. ### = nicht entziffert. Mehrere Wörter nicht lesbar.

24.11.1913 Finanzübersicht: Einnahmen & Ausgaben per Ende November 1913

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November 1913 - Die Auseinandersetzung in der Presse II

24.11.1913 Schwäbische Kronik

Nochmals das Stuttgarter Reformationsdenkmal.

Es wird uns geschrieben:

Immer weitere Kreise zieht der heilige Kampf um die künftige Gestaltung des Reformationsdenkmals in Stuttgart, an sich ein hocherfreulicher Beweis für die rege Teilnahme unserer evang. Bevölkerung an einem würdigen Ehrenmahl für die 400jährige Jubelfeier der Reformation im Jahre 1917. In diesem heißen Streit der Meinungen ist es unerläßlich, daß der Kernpunkt der Denkmalsfrage, frei von allem Beiwerk, im Mittelpunkt der Erörterung und der Prüfung bleibe. Dieser Kernpunkt ist nun nicht die Frage, ob der Brüllmannsche Entwurf, mit dem aus dem Sarkophag auferstehenden Christus im Mittelpunkt, ein der Ausführung würdiges Kunstwerk, sondern ob er ein Reformationsdenkmal sei, d.h. ein Wahrzeichen, in dem sich das weltgeschichtliche Ereignis von 1517 jedem Evangelischen auf den ersten Blick verkörpert.

Diese Frage ist rundweg zu verneinen. Bezüglich der Auferstehung Christi besteht nicht der geringste Unterschied zwischen der evangelischen und der katholischen Lehre. Der Glaubensartikel in diesem Punkt stimmt bei beiden wörtlich überein. Damit fällt die ganze Ausführung von D. David Koch hierüber in Nr. 543 d. Bl. in sich zusammen, die nur durch das Geständnis wertvoll bleibt, daß er die Inschrift einer Grabkapelle zum Thema seiner Auferstehungsanführungen genommen hat. Tatsächlich könnte denn auch das Brüllmannsache Denkmal ohne die beiden Gestalten von Luther und Brenz, die ohne jeden inneren Zusammenhang mit dem auferstehenden Christus rein äußerlich lediglich zur Namensgebung für das Denkmal angebracht sind, ebenso gut an oder in einer katholischen als an oder in einer evangelischen Kirche aufgestellt werden.

Der Brüllmannsche Entwurf ist aber auch stofflich unrichtig und damit unevangelisch. Die Juden kannten keine Sarkophage, die für sie etwas Heidnisches waren, sondern nur die Grablegung. Und nun vergleiche man diese Auferstehung Christi aus einem kunstvollen Sarkophag, die zwar jetzt durch die, Koch noch unbekannte, Ersetzung der Siegesfahne durch das hier übrigens gleichfalls unangebrachte Kreuz etwas gemildert ist, mit dem wunderbar schlichten, in seiner Einfachheit ergreifenden Bericht der Bibel über die Auferstehung. Die evangelische Kirche hat aber stets in ihrem Zurückgehen auf die Bibel selbst ihren Ruhmestitel gesucht. Das Brüllmannsche Denkmal paßt ferner viel besser in eine Kirche als an die Außenseite derselben. Eine Barockkirche wäre wohl ein geeigneter Ort dafür. Verfehlt ist auch die Verbindung der beiden Reformatoren mit einem einmaligen, 1500 Jahre zurückliegenden geschichtlichen Ereignis. Der Hinweis auf das Kreuz, unter dem die Reformatoren nach dem ursprünglichen Plan stehen sollten, träfe nicht zu, denn jedermann wüßte, daß sie nicht auf dem Hügel von Golgatha, sondern zu Füßen des Bildes des Gekreuzigten stünden.

Schon oben ist auf den völligen Mangel einer inneren geistigen Verbindung der Gestalten der beiden Reformatoren mit dem auferstandenen Christus hingewiesen worden. Luther sitzt, um mit Koch zu reden, „in scheinbar fast behaglicher Situation mit der Bibel auf den beiden Knien“, Brenz „in sich gekehrt“ da; beide kehren dem auferstehenden Christus den Rücken zu. Sie merken gar nichts davon, was hinter ihnen vorgeht. Dennoch schreibt Koch, „man fühlt es diesen sitzenden, ganz mit ihren inneren Visionen beschäftigten Männern an, wie gewaltig und friedigend zugleich die Wirkungen sind, die von dem Auferstandenen hoch zu ihren Häuptern in ihre Seele einströmen“, ein völlig unlösbarer innerer Widerspruch. Und nun vergleiche man damit die herrlichen Darstellungen, die wir in der Kunst von der Auferstehung Christi besitzen, wo die Kriegsknechte vom überirdischen Licht geblendet ihre Augen beschatten. Bestünde auch nur das geringste innere Band, so müßten sich die beiden Reformatoren dem Auferstehenden zuwenden.

Man mag das Brüllmannsche Denkmal betrachten, wie man will, es ist und bleibt ein Grabmal. Wir wünschen dem Künstler seine Ausführung an einer möglichst würdigen Grabstätte (ohne die beiden Reformatoren), aber man gebe den Evangelischen Württembergs nicht ein Grabmal als Jubiläumszeichen für die 400jährige Feier der Reformation in Schwaben, ausgerechnet an der Kirche Stuttgarts, in die sie einst zuerst ihren Einzug hielt. Übrigens wird in dieser Sache der Kirchengemeinderat der Hospitalkirche auch noch ein Wort mitzureden haben.

Die Verteidiger des Brüllmannschen Entwurfs rechtfertigen ihre Stellungnahme damit, daß man diesen Entwurf in Ermangelung eines besseren eben habe nehmen müssen. Sie haben sich so wenig, wie die Spender, einst beim Aufruf von einem Denkmal wie dem Brüllmannschen etwas träumen lassen. Einem Punkt der Kochschen Verteidigung des Entwurfs muß aber noch mit besonderem Nachdruck entgegengetreten werden. Nicht weniger als 7mal redet Koch vom „Kunstwissen der Schwaben“ (!), von „sonderschwäbischer Art“ vom „schwäbischen Reformationsdenkmal“ im Gegensatz zu andern solchen Denkmälern, von den „Schwaben“ vom „schwäbischen Volk“, von der „Schwabenart“, immer im Gegensatz zu den andern deutschen Stämmen. Der Ausdruck dieses Schwabengeistes soll nach Koch das Brüllmannsche Denkmal sein. Nur hat Koch dabei übersehen, daß Brüllmann Schweizer ist, wirklich eine feine Ironie. Gegen eine solche, zudem ganz fehlgehende Hervorkehrung des Partikularismus, muß vom Standpunkt der Reformation, wie von dem der Kunst aus gleich entschieden Verwahrung eingelegt werden, wenn sich nicht recht schlimme Folgen ergeben sollten.

Wer tadelt, sollte aber auch besseres vorzuschlagen wissen. Da ist es nun ein Verdienst der im übrigen m. E. unzutreffenden Ausführungen des Stadtpfarrers Dr. Walther, in seinem Artikel in Nr. 546 d. Bl. darauf hingewiesen zu haben, daß der dem Aufruf zur Sammlung von Gaben zu Grunde gelegte Gedanke „Luther und Brenz vor dem Bild des Gekreuzigten“ von Theodor Fischer ausgegangen ist. Bei einer Besprechung des Planes des Reformationsdenkmals mit Fischer wurde von einer Seite bemerkt, bei dem hiesigen Lutherdenkmal sollten eigene Wege eingeschlagen werden. Der Betreffende, der in dieser Hinsicht mit Fischer, wie jetzt mit Koch, einig ging, meinte, ein durch Größe und Schönheit hervorragender Findling, in den die Bronzebilder von Luther und Brenz eingelassen wären, oder auch ohne diese mit der bloßen Inschrift „Zur 400jährigen Jubelfeier der Reformation 1917“, nach dem Vorbild des Schillersteins im Vierwaldstädter See, an einem schönen öffentlichen Platz der Stadt wäre ein würdiges Denkmal. Fischer erwiderte mit seinem geschichtlichen Sinn, es sollte womöglich ein Platz für das Denkmal gefunden werden, der mit der Reformationszeit selbst im Zusammenhang stehe. Nach kurzer Zeit kam er und erklärte, an der Hospitalkirche diesen Platz gefunden zu haben, und zwar für ein Denkmal mit Christus am Kreuz, zu seinen Füßen, stehend oder knieend, Luther und Brenz. Auf dieser Grundlage ist dann der Aufruf erlassen worden. Eine Entwurfskizze war meines Erinnerns auch einmal im Kunstverein ausgestellt.

Wir glauben auch heute noch, daß sich eine befriedigende Lösung im Fischerschen Sinn finden ließe, wenn eine Anzahl hervorragender Künstler zu einem Wettbewerb aufgefordert würde. Gelingt diese Lösung nicht, so lege man dies öffentlich dar und erbitte sich von den Spendern die stillschweigende Genehmigung für eine andere befriedigende Lösung, nötigenfalls an einem andern Platz. Ein Grundfehler des Denkmalausschusses war es nämlich, daß er an dem von Fischer für eine ganz bestimmte Form des Denkmals geplanten Platz festhielt, nachdem die Voraussetzung dafür entfallen war. Man trete mit der Stadt Stuttgart in Verhandlung, daß das Denkmal auch an einem anderen öffentlichen Platz aufgestellt werden kann, wobei es erwünscht wäre, daß eine Reihe von Plätzen zur Verfügung gestellt würde. Und dann schreibe man einen Wettbewerb aus, bei dem den Künstlern weitgehende Freiheit in der Gestaltung des Denkmals gelassen werde.

Und nun noch ein Wort zur Rechtslage. In der Zuschrift des Denkmalausschusses in Nr. 536 d. Bl. ist bemerkt, die gegen den Entwurf hervorgetretene Agitation verkenne die Rechtslage und könne an der tatsächlichen Lage nichts ändern. Dieser Worte Sinn ist vorerst noch etwas dunkel. Wir möchten die Gegenfrage stellen, ob der Denkmalausschuß nicht seinerseits die Rechtslage verkennt. Er hat im Jahr 1910 einen Aufruf zur Sammlung von Gaben zu dem Reformationsdenkmal mit einem ganz genau bestimmten Programm auf Grund des Fischerschen Plans erlassen. Auf dieses Programm hin und nicht auf Grund eines nachträglich vom Ausschuß gewählten grundverschiedenen Planes haben die Spender ihre Gaben gegeben.

24.11.1913 Schwäbische Kronik - Fortsetzung

Wie würde sich nun aber die Rechtslage des Ausschusses dann gestalten, wenn die Spender ihre Gaben zurückforderten, weil die ganz scharf bezeichnete Bedingung nicht eingehalten worden sei. Oder glaubt etwa der Ausschuß, daß eine Kirchengemeinde, die auf Grund eines ganz bestimmten Bauprogramms Gaben für einen Kirchenbau gesammelt habe, nun ohne weiteres und ohne eine Verpflichtung zur Rückerstattung der Gaben an die Schenker berechtigt sei, statt der Kirche ein kirchliches Gemeindehaus zu bauen, weil sich in dessen Saal ebenso gut Gottesdienst halten lasse, wie in einer Kirche? Daß Brüllmann eine volle Entschädigung erhalten müßte, ist selbstverständlich. Darüber aber darf der Denkmalausschuß nicht einen Augenblick im Zweifel sein, daß er die ganz erdrückende Mehrheit der Evangelischen des Landes gegen sich hätte, wenn er die Ausführung des Brüllmannschen Grabmals als Reformationsdenkmal beschlösse.

Die evang. Kirchenverwaltung Stuttgarts hat schon künstlerische Fehler genug begangen. Als einst Theodor Fischer und Prof. Reinhardt mit ihrer ganzen künstlerischen Kraft dafür eintraten, daß auf dem herrlich gelegenen, jetzt überbauten Platz an der Danneckerstraße oberhalb des Bopserwegs eine evang. Kirche als leuchtendes Wahrzeichen erstellt werde, hat man diesen Plan verworfen, wie es heißt, weil man der entgegenkommenden Stadtverwaltung nicht einen künstlerischen Sachverständigen bei der Beratung des Bauplans zugestehen wollte. Statt dessen hat man damals in einer Klinge einen Hinterhausplatz als Kirchenbauplatz gekauft. Was auf evang. Seite endgültig versäumt wurde, wird von der katholischen verwirklicht werden. In absehbarer Zeit wird vom Staffelnberg eine kath. Kirche ins Tal herunter grüßen und wir werden uns, unbekümmert um die Konfession, über den guten Geschmack freuen. Die Erlöserkirche hat man von dem anscheinend mit Glücksgütern gesegneten Mesner der eigenen Kirche durch eine 4= oder 5stöckige Mietskaserne für die Blicke der Welt zudecken lassen. Ein dritter solcher Fall in Stuttgart wäre doch zuviel. Möge bei der Einweihung des Reformationsdenkmals im Jahr 1917 das ganze evang. Volk in allen seinen Schichten sich freudig beteiligen können, nicht bloß ein kleiner Kreis!

Schwäbische Kronik 24.11.1913

25.11.1913 Schwäbische Kronik I

Das Reformationsdenkmal in Stuttgart.

Zu der Entgegnung des Einsenders E. F. gestatte ich mir zu bemerken: Nachdem einmal anerkannt ist, daß für ein Lutherdenkmal der Auferstehungsgedanke in beherrschendem plastischem Ausdruck eine diskutable Sache ist, wird man sich wohl auch noch über das Bedenken einigen können, daß der erste Anblick des Denkmals den Eindruck eines Epitaphs, eines Grabmals hervorruft. Dieser Eindruck wird sogar unterstützt durch den Hintergrund: Die Kirchenmauer, an der ja in alten Zeiten so oft die Toten und die großen Toten eines Kirchspiels begraben und in Denkmalen gefeiert wurden. Die Erinnerung an diese historische Tatsache hätte aber auch bei einer Kreuzigungsgruppe sehr leicht den Grabmaleindruck hervorgerufen, da ja häufig die zu feiernden Toten auf dem Monument unter das Kreuz gestellt wurden. Mit dem Einwand des grabmalartigen, störenden Eindrucks würde ich schon deshalb nicht operieren, weil die schmerzliche Tatsache dadurch angerührt würde, daß man für das Reformationsdenkmal des Schwabenlandes, das für die Reformation so viel Geschichtliches geleistet hat – ich erinnere nur daran, daß um 1548 an der schwäbischen Reichsstadt Ulm das Schicksal der ganze Reformation hing – nicht einen beherrschenden Platz gefunden hat.

Und selbst wenn der erste Eindruck des zu erwartenden Denkmals der eines Grabmals wäre, wäre das so übel? Der Denkende, der vor diesem Grabmal steht – er steht doch als denkender Protestant vor diesem Mal, als einer der Teil hat an dem großen geistigen Zusammenhang und an den religiösen Werten der Reformation – der denkende Protestant wird dieses Monument nicht als Sinnbild einer dem Tod verfallenen Kirche betrachten, sondern als einer Kirche, die auch die schwersten Erschütterungen der Zeit nicht übermögen, sondern die im Zeichen des Osterfürsten alle Todesbande zu sprengen die Kraft hat. Ob dabei Luther den Eindruck eines toten oder lebenden Mannes macht, ist allerdings Sache des Bildhauers. Wenn es ihm gelingt, die Luthergestalt lebendig zu machen auch für die Gegenwart und ihre Luther=Vorstellung, dann ist er ein Künstler. Andernfalls nur ein Handwerker. Daß Brüllmann die geistigen Qualitäten eines Künstlers hat, hat er mit seiner Lutherbüste in der Kunstausstellung 1913 bewiesen für alle, die aus einer Porträtbüste die Spuren eines Künstlers lesen können.

Wenn nun aber gerade der Sarkophag auf dem Denkmal so manchen ein Stein des Anstoßes ist, so könnte man erwägen ob nicht, die Auferstehungstatsache als Mittelpunkt des Denkmals vorausgesetzt, der Künstler einen einfachen, segnenden, auferstandenen Christus, etwa in Sinne Thorwaldsens, bilden sollte. Ich habe mir diese Frage auch vorgelegt, da diese Lösung zweifellos sehr volkstümlich wäre. Wer aber den plastischen Hintergrund mit dem langgezogenen, nüchternen gotischen Fenstern abwägt, der erkennt sofort, daß es künstlerische Erwägungen waren, die den Künstler zwangen, nach einer nicht rein hochstrebenden, vertikalen, sondern stark horizontalen, die Querlinien betonenden Lösung zu suchen. Ein auf einem Postament stehender Auferstandener ginge in dem langen vertikalen Linienzug nach oben, plastisch verloren, während die Horizontalgliederung des Sarkophags und der Siegesfahne der ganzen Gruppe eine innere Geschlossenheit geben, die nicht willkürlich, sondern notwendig ist.

Dr. Koch.

Schwäbische Kronik 25.11.1913

25.11.1913 Schwäbische Kronik II

Von der evangel. Kirchenverwaltung in Stuttgart.

Anläßlich der Bekämpfung des Brüllmann’schen Reformationsdenkmals richtet ein Einsender in Nr. 518 Vorwürfe gegen die „evangelische Kirchenverwaltung Stuttgarts“. Er behauptet, die einst an der Danneckerstraße geplante Kirche sei „wie es heißt“, deshalb nicht gebaut worden, „weil man der entgegenkommenden Stadtverwaltung nicht einen künstlerischen Sachverständigen bei der Beratung des Bauplans zugestehen wollte“. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Der Bau der Kirche wurde abgelehnt, weil sich herausstellte, daß eine Kirche an jener Stelle überflüssig ist und die evang. Gesamtgemeinde die Kirchensteuern nicht verwenden darf, um eine überflüssige Prunkkirche zur architektonischen Verschönerung des Stadtbildes in einer Gegend zu erbauen, in der sie keine Verwendung hat. Ebenso ungerechtfertigt ist der Vorwurf: „Die Erlöserkirche hat man von dem anscheinend mit Glücksgütern gesegneten Mesner der eigenen Kirche durch eine 4= oder 5stöckige Mietskaserne für die Blicke der Welt zudecken lassen“. Der Einsender glaubt also, daß die „evang. Kirchenverwaltung“ das Recht habe, ihrem Mesner den Bau eines der Kirche gegenüberstehenden Miethauses auf seinem eigenen Grund und Boden zu erlauben oder zu verbieten! Das sind doch Angelegenheiten der weltlichen Baubehörden! Die Vertreter der evangelischen Gesamtgemeinde haben die Voreiligkeit, mit welcher der Bau dieses Hauses konzessioniert wurde, schon oft bitter beklagt, sind aber völlig unschuldig daran.

Stadtpfarrer Dr. Walther.

Schwäbische Kronik 25.11.1913

25.11.1913 Ludwigsburger Zeitung

26.11.1913 Ludwigsburger Zeitung

29.11.1913 Ludwigsburger Zeitung

30.11.1913 Süddeutsche Zeitung

27.11.1913 Schwäbische Kronik

Zum Reformationsdenkmal in Stuttgart.

Zum Reformationsdenkmal in Stuttgart ist uns in den letzten Tagen eine Reihe von Zuschriften zugegangen. Die Raumverhältnisse verbieten es, sämtliche Einsendungen wiederzugeben. Es mögen hier noch nachstehende Zuschriften zum Abdruck gelangen:

Die Erörterung über das Reformationsdenkmal will noch immer nicht verstummen. Schon die bisherigen Besprechungen haben eine Reihe von Unzulänglichkeiten des Entwurfs zutreffend beleuchtet. Immerhin handelt es sich dabei teilweise um Geschmacksfragen, über die verschiedene Ansichten möglich sind. Es erscheint deshalb nicht überflüssig, das grundsätzlich Falsche, das ein für allemal Verkehrte der Brüllmannschen Komposition noch scharf hervorzuheben. Wesentlicher Zweck eines Kunstwerks ist es jedem – auch dem phantasieschwächeren Laien – die dargestellte Idee unmittelbar, gleichsam spielend, zur vollen Anschaulichkeit zu erheben. Deshalb heißt der Grieche mit Recht schön, was ###, d. h. für die Anschauung leicht zusammenfaßbar ist. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, daß einer allegorischen Darstellung, wie sie der Entwurf zeigt, eine reine und unmittelbar künstlerische Wirkung nicht zukommen kann. Denn hier soll als die wesentliche Idee des Ganzen etwas außerhalb des Kunstwerks Liegendes angedeutet und vermittelt werden. Hier bedarf es der Erklärung, des Kommentars, durch welche erst der Sinn des Beschauers auf etwas anderes, dem Bildwerk selbst Fremdes hinübergeführt wird. Hier ist also das Kunstwerk nicht Haupt=, sondern Nebensache. Es ist deshalb auch Nebensache, ob das Kunstwerk selbst mehr oder weniger gelungen ist. Denn nicht eine im Bildwerk verkörperte, aus diesem sprechende Idee, sondern ein außerhalb desselben liegender Gedanke ist es, der dem Beschauer zugänglich gemacht werden soll und durch Erklärung erst zugänglich gemacht werden muß, wenn er das Werk genießen soll. Gleichwohl kann natürlich auch ein allegorisches Bildwerk schön sein. Nur muß dann das Bildwerk selbst als solches ästhetisch wirken und nicht bloß im Zusammenhalt mit dem schönen Gedanken, den es interpretieren soll. Es kann also zur Verteidigung des Entwurfs nicht angeführt werden, daß die Idee der Auferstehung, als Sinnbild der Reformation, doch so schön und erhebend sei. Denn diese Idee wird dem Beschauer nur mit Hilfe einer mehr oder weniger plausiblen Erläuterung verständlich, niemals aber von selbst im Anblick des Denkmals anschaulich erfaßt.

Daß die Darstellung der Auferstehung Christi als solche aber im vorliegenden Fall ästhetisch befriedigend wirke, muß nachdrücklich bestritten werden. Es empfiehlt sich immer wieder, daran zu denken, daß jede Kunstgattung Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit hat. So kann das Thema der Auferstehung musikalisch und poetisch behandelt, auch bildlich noch mit Mitteln der Malerei dargestellt werden; dagegen widerstreiten die Mittel der Bildhauerkunst ganz offensichtlich der skulpturellen Darstellung des Auferstandenen. Die Vergeistigung, das Zurücktreten der Körperlichkeit gerät mit dem Material des Bildhauers in unlösbaren Widerspruch. Denn dieses erfordert, um schön zu wirken, überall volle, entwickelte Körperlichkeit. Das Bestreben, die geistige Gestalt des duldenden Ueberwinders des Weltleids durch einen Mangel an Körperlichkeit zu charakterisieren, führt beim Bildhauer immer zu einem Mißgriff. Was auf Vergeistigung deuten soll, mutet in Wirklichkeit nur als Leibarmut an und wirkt künstlerisch schwach, kraftlos, schemenhaft. Tatsächlich wird dies auch für den vorliegenden Fall dadurch unmittelbar bestätigt, daß in dem Artikel von D. Koch die „reliefartige“ Behandlung der Figur Christi besonders gerühmt wird. Ob nun aber eine reliefartige Gestalt als Hauptfigur für ein Reformationsdenkmal genügt, ist doch recht zweifelhaft. Man muß deshalb immer wieder die große Idee, welche der allegorische Christus und der symbolische Sarg andeuten soll, zu Hilfe holen. Daß aber auch diese Idee nur auf eine ganz künstliche Weise als Charakteristikum eines Reformationsdenkmals eingeführt werden kann, ist hier früher schon genügend nachgewiesen worden. Völlig unverständlich wird aber der Sinn des Ganzen für den unbefangenen Beschauer durch die Position, welche den Figuren von Brenz und Luther an dem Denkmal angewiesen ist. Während die Idee, welche das Bildwerk veranschaulichen soll, doch mindestens eine dem historischen Bild entsprechende tätige Anteilnahme der Reformatoren und eine dementsprechende Postierung erwarten läßt, verharren diese in beschaulicher Ruhe, sitzend, von der Hauptfigur des Denkmals abgewandt. Es ist hiezu – unter Anführung von Beispielen – behauptet worden, daß die sitzende Darstellung gerade besonders eindrucksvoll, weil hervorragend monumental sei. Das ist dann, aber offenbar auch nur dann richtig, wenn die sitzende Figur im Mittelpunkt sitzt, d. h. das Denkmal beherrschend „thront“, aber nicht, wenn sie auf der Seite Platz findet, wo sie sitzend eben nur als Beiwerk wirken kann. Daß schließlich ein sitzender Luther, dem überdies der genius loci noch eine Extraportion schwäbischer Gemütlichkeit verliehen haben soll, geradezu „originell“ wirkt, soll nicht bestritten werden.

Dr. P. Göz.

*

Von H. Pfarrer a. D. Meyding geht uns eine längere Zuschrift zu, der wir nachstehende Hauptgedanken entnehmen:

Es ist sehr dankenswert, daß in diesen Blättern herüber und hinüber die Meinungen zum Ausdruck kommen dürfen, die zur Kenntnis der gegenseitigen Gedanken und Wünsche, sowie zur Klärung der ganzen Frage dienen. Das Denkmal ist es gewiß wert, daß man sich bemüht, sich nicht in Vorurteilen zu versteifen, sondern die gute Sache zu fördern. Zunächst sollte man sich nicht durch das durchaus unzutreffende Bildchen in dem bekannten Rundschreiben irreführen lassen und ohne Kenntnis des Modells nicht darüber aburteilen. Man könnte auch daran denken, daß z. B. im Jahre 1838/39 in Stuttgart weithin Entrüstung über das Schillerdenkmal, dieses Meisterwerk des großen Thorwaldsen, herrschte. Der Schillerverein hatte einen sitzenden Schiller bestellt und nun kam ein stehender. Von der Fußsohle bis zum Scheitel wurde alles, die massige Größe, der Talar, das gesenkte Haupt, der überschattende Lorbeerkranz usw. getadelt und es dauerte lange, bis Verständnis und Anerkennung sich durchgerungen hatten. In ähnlicher Weise hat man jetzt am Brüllmannschen Entwurf das Verschiedendste auszusetzen, während die Sachverständigen voll Bewunderung der geistvollen Schöpfung sind.

Die Gegner sagen: 1. Es sei kein Reformationsdenkmal. Man ist eben gewohnt, nur ein „Lutherdenkmal“ als ein solches anzuerkennen. Luther und Brenz aber seien hier Nebenfiguren. Aber hat nicht Luther immer und allezeit seine Person zurückgestellt und seinem „lieben Herrn Christus“ die Ehre gegeben, daß er ganz allein das Werk begonnen habe und es auch ohne ihn hinausführen könne? Das bringt die dem Denkmal beherrschende, majestätische, überirdische Gestalt des auferstehenden Christus meisterhaft zur Darstellung. Er ist es, der die Kirche damals mit neuem Geist und Leben erfüllt hat und es immer aufs neue tut. 2. Es sei nur ein Grabdenkmal. Ist aber nicht gerade das kahle Kreuz, das man zwischen Luther und Brenz verlangt, gerade das allgemeine christliche Grabeszeichen? Man erhebe doch den Blick zu dem sieghaft auferstehenden Heiland, der den Tod überwunden hat und die Mächte geistiger Finsternis und geistigen Todes auch in der evangelischen Kirche immer aufs neue überwinden muß! 3. Es sei nicht evangelisch, nicht konfessionell gedacht, wenn an die Stelle des Kreuzes die Auferstehung trete. Als ob nicht an katholischen Orten an öffentlichen Plätzen, Wegen und Häusern Kruzifixe genug aufgerichtet wären, und als ob nicht Kreuz und Auferstehung, diese die Krönung des Erlösungswerkes, aufs engste zusammengehörten. Nicht das äußerliche Zeichen macht es aus, sondern aufs innere Ergriffensein und gläubiges Ergreifen Christi legen wir Nachdruck, und wie eng verknüpft Paulus Kreuz und Auferstehung! „Ist Christus nicht auferstanden, so ist unser Glaube eitel.“ Gerade auf die Auferstehung und auf ihre Darstellung kam es dem Künstler an. 4. Es sei kein Zusammenhang zwischen dem Mittelstück und den seitlich sitzenden Reformatoren, weil sie nicht zu Christus emporblicken. Sie suchten und fanden ihn im Bibelbuch, das aufgeschlagen auf Luthers Knien liegt, und der Blick Luthers nach oben deutet an, daß er vom Herrn her das Verständnis des Wortes empfängt und die Ausrüstung zum Reformationswerk. Also innigster Zusammenhang bildlich dargestellt. 5. Endlich: Die sitzenden Reformatoren seien zu nebensächlich und unbedeutend; sie sollten im Mittelpunkt dastehen. Ja, wenn nur ein Luther=Brenz=Denkmal gefordert worden wäre. So aber ist es ein wirkliches Reformationsbild. Es ist dem engen Raum zwischen den hohen Pfeilern angepaßt. Zugleich sind die großen Männer dem Beschauer in prächtigen, charaktervollen Gestalten äußerlich und menschlich um so näher gerückt. Durch die Verbindung der „Auferstehung“ mit den Reformatoren wird das Werk zum sprechenden Denkmal der Kirchenerneuerung. Das evang. Volk kann das ganz wohl verstehen. Was schließlich noch die Ortsfrage betrifft, so ist anzuerkennen, daß das Denkmal dem Platz an der Kirche harmonisch eingefügt, ja dadurch in all seinen Verhältnissen und Linien bedingt ist, und daß die Schöpfung nach Komposition und Ausführung der gestellten Aufgabe vollkommen entspricht. Das künstlerische Meisterwerk sollte so wie es im Modell ist, weiter ausgestaltet werden. Brüllmann selbst hat das ruhige, sichere Bewußtsein, daß er seiner inneren Eingebung treu bleiben müsse. Möge er nun in seiner Schaffensfreudigkeit nicht weiter gestört werden, damit das Werk in seiner monumentalen Größe und Schönheit vollendet werden kann.

Schwäbische Kronik 27.11.1913

Dezember 1913 - Abschluß der Auseinandersetzungen

02.12.1913 Schwäbische Kronik

Zum Reformationsdenkmal in Stuttgart.

* Der Engere Rat der Evang. Gesamtkirchengemeinde hat am 27. Nov. in Sachen des Reformationsdenkmals den nachstehenden Beschluß mit Stimmenmehrheit gefaßt:

Der Engere Rat überläßt in Anerkennung der künstlerischen Bedeutung des Brüllmann’schen Entwurfs die Gestaltung des Reformationsdenkmals dem Denkmalausschuß und bittet die ev. Gemeindeglieder, von einer Fortsetzung der das Ansehen unserer Kirche gefährdenden öffentlichen Agitation gegen diesen Entwurf abzustehen. Er vertraut dem Denkmalausschuß, daß dieser alles aufbieten wird, um eine würdige und volkstümliche Ausführung des Denkmals zu sichern.“

Vom Ausschuß für das Denkmal wird uns geschrieben:

Der Gesamtausschuß für das Reformationsdenkmal hat in letzter Woche eine Sitzung im Atelier des Bildhauers Brüllmann gehalten. Das Modell, das beim jetzigen Stande der Arbeit der größeren Oeffentlichkeit noch nicht zugänglich gemacht werden kann, ist doch so weit gefördert, daß der große Eindruck zu wirken beginnt. So waren denn nicht nur sämtliche Anwesende darin einig, daß der Brüllmann’sche Entwurf ein wahrhaft monumentales, der großen Sache würdiges, künstlerisch hervorragendes und innerlich empfundenes Reformationsdenkmal verspricht, sondern auch nicht anwesende Mitglieder, die das Modell inzwischen gesehen hatten, erklärten schriftlich ihre Zustimmung aus voller Ueberzeugung. Namentlich stand man allgemein unter dem Eindruck der edlen Gestalt des auferstandenen Christus und der höchst lebensvollen, innerliches Schauen bekundenden Lutherfigur, während die Brenzgestalt noch im Werden ist. Sachkundige Männer außerhalb des Ausschusses, bei denen von Voreingenommenheit nicht die Rede sein kann, weil sie bisher mit dem Denkmal gar nichts zu tun hatten oder erst seit kurzem hier sind, haben nicht nur zustimmende, sondern warm für das Denkmal eintretende Gutachten abgegeben. Die zustimmende Stellungnahme des Engeren Rats der ev. Gesamtkirchengemeinde Stuttgart, in deren Eigentum und Pflege das Denkmal nach seiner Vollendung übergehen wird, ist inzwischen veröffentlicht worden. So hat der Ausschuß nach gewissenhaftester Erwägung das Bewußtsein, auf dem rechten Wege zu sein, und ist der guten Zuversicht, daß das Denkmal in seiner ferneren Ausgestaltung auf die weitesten Kreise des evang. Volkes dieselbe überzeugende Wirkung haben wird, die das Modell auf den Ausschuß bei wiederholter Betrachtung in immer steigendem Maße ausgeübt hat.

Schwäbische Kronik 02.12.1913

03.12.1913 Süddeutsche Zeitung

21.12.1913 Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt

Das Sonntagsblatt hielt sich nicht für berufen, die zahlreichen Stimmen über das werdende Reformationsdenkmal für Stuttgart noch um eine zu vermehren, ehe ein zuverlässigeres Urteil über die Ausgestaltung des Modells J. Brüllmanns möglich war, gegen das auch wir einst unsere Bedenken ausgesprochen hatten. Die offene Aussprache der letzten Wochen war indes gewiß nicht umsonst für das Werk. Was wir kürzlich im Arbeitsraum des Künstlers sehen konnten, hat unsere wesentlichsten Bedenken überwunden, und wir glauben der Vollendung des Bildwerks nun mit dem Vertrauen entgegensehen zu dürfen, daß das evangelische Volk in Württemberg einmal Freude an seinem Reformationsdenkmal haben wird. Möge sich auch den anderen, mehr praktischen Reformationsdenkmälern noch recht viel gebende Teilnahme zuwenden: dem Stuttgarter „Lutherhaus“ (Paulusgemeindehaus) und dem Deutschen bzw. Württembergischen Lutherverein zur Erhaltung der deutschen evang. Schulen in Österreich! Von ihm später wieder einmal etwas.

Stuttgarter Evangelisches Sonntagsblatt 21.12.1913 - S. 410