Tübingen · Schlosskirche

Einführung

ISBN: 978-3-949763-29-8 · Format: Din A4 · 360 Seiten mit 65 farbigen Abbildungen

Dass sich im Schloss Hohentübingen eine Kirche befindet, war mir - obwohl ich einige Jahre in Tübingen studiert habe - nicht bekannt. Erst die Forschungsarbeiten von Pfarrer i.R. Ulrich Zimmermann machten mich darauf aufmerksam.

Sein im Frühjahr 2023 erschienenes Buch "Die Predigtkirche und die Querkirche" (J. S. Klotz Verlagshaus) gibt einen beeindruckenden Überblick über den protestantischen Kirchbau in Württemberg seit der Reformation mit Schwerpunkt auf diesen beiden Kirchentypen. Für jeden an Kirchbau in Württemberg Interessierten ist der Erwerb ein "Muss"...

Im Buch nimmt die Schlosskirche Tübingen breiten Raum ein, denn Zimmermann weist nach, dass sie die erste neu gebaute Kirche nach der Reformation ist! Viele Publikationen müssen umgeschrieben werden, die bislang die Schlosskirche Torgau als ersten Bau nannten und die Schlosskirche in Stuttgart als ersten in Württemberg.

Nachfolgend wird in der Darstellung der Schlosskirche aus Zimmermanns Buch (mit freundlicher Genehmigung) als Quelle "UZ" zitiert.

Links & Publikationen

Überraschend ist, dass in quasi allen Publikationen über das Schloss Hohentübingen die Schlosskirche kaum oder garnicht erwähnt wird. Dies mag vor allem seinen Grund darin haben, dass die Schlosskirche als Filialkirche der Tübinger Stiftskirche zwar dem herzoglichen Hofe, den Schlossbediensteten und der städtischen Öffentlichkeit zur Verfügung stand, allerdings ohne eigenen Pfarrer: Spätestens nach dem Dreißigjährigen Krieg und erst recht nach dem Verlust der Residenzeigenschaft des Schlosses im 18. Jahrhundert nämlich wurde sie im regelmäßigen Predigtdienst vor allem durch ältere Theologensemester des Herzoglichen Stipendiums, des heutigen Evangelischen Stifts, versorgt, bis mit der Gründung der Evangelischen Predigeranstalt 1815/16 und der Übereignung des Schlosses an die Universität dieser sonntägliche Praxisbezug des Predigens im Gemeindegottesdienst auch "Nichtstiftlern" zugute kam.
Bis kurz vor Beginn der umfangreichen Schlosssanierung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts war somit die Schlosskirche in den Sonntagspredigtplan der Stadtgemeinde eingebunden.

Sehr bedauerlich, dass die Kirche heute für die Öffentlichkeit i.d.R. nicht zugänglich ist.

Auch auf der Website "Reformationskirchen in Württemberg" ist in Tübingen nur die Stiftskirche, nicht aber die Schloßkirche zu finden.

Der Artikel auf Wikipedia über Schloss/Burg Hohentübingen zeigt schon den neuen Erkenntnisstand.

Im Schloss befindet sich heute das Museum der Universität. Auf dieser Website wird auch die "Sammlung der Evangelischen Predigeranstalt" kurz dargestellt.

Eine gute Beschreibung der Burg Hohentübingen findet auf Burgenarchiv.de

Informationen auch auf www.kirchbau.de

Im Verlag Schwäbisches Tagblatt erschien 1996 ein Führer "Das Tübinger Schloß", verfasst von Michael Weiß. Im Anhang findet man eine Zeittafel, aus der ich einige Informationen in die Chronik rechts übernommen habe, sowie aus der Chroniktafel im Torbogen.

Inhalt

Allgemeine Hinweise · Links

Chronik

1078

Erste urkundliche Erwähnung der Burg

1342

Burg und Stadt Tübingen werden für 20.000 Pfund Heller an die württembergischen Grafen verkauft

1477

Graf Eberhard gründet in Tübingen die württembergische Landesuniversität

1507 - 1606

Bau der heutigen vierflügeligen Schlossanlage im Renaissancestil

1507 - 1519

Herzog Ulrich lässt um die Burg eine Befestigungsanlage mit 4 Ecktürmen errichten

1519 - 1534

ist die Burg nach Vertreibung von Herzog Ulrich in österreichischer Herrschaft

1533

Baubeginn des Südflügels

1534 - 1550

nach Rückeroberung seines Herzogtums vervollständigt Herzog Ulrich das Schloss zur Vierflügelanlage, die alte Burg wird abgebrochen

1550 - 1569

Herzog Christoph setzt den Innenausbau des Schlosses fort

1593 - 1606

unter Herzog Friedrich wird im Westen die große Bastion erbaut. 1606 wird als Abschluss das Friedrichstor errichtet, das Untere Schlosstor

17. Jh.

Wechselhafte Belegung und Belagerung des Schlosses
Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges - 1647 - wird der südöstliche Eckturm durch französische Truppen gesprengt
20 Jahre später entsteht der Fünfeckturm

1804 / 1816

Das Schloss Hohentübingen wird vom Haus Württemberg vollständig und förmlich der Universität Tübingen übertragen

1815

Die Schloßkirche gelangt in den Besitz der evangelischen Predigeranstalt und dient dann den evangelischen Theologiestudenten als Proberaum für ihre Predigten

1838

Im Sommer wurde die unbrauchbare alte Orgel durch eine neue aus der Werkstätte des Orgelbauers Gruol in Bissingen ersetzt.

1886

Die Schloßkirche wird renoviert mit räumlicher "Drehung" samt Gewinnung des angrenzenden Raumes als Sakristei.

1957

Neue Orgel der Firma Weigle

1979 - 1985

Instandsetzung des Süd- und Westflügels einschließlich der Schlosskirche

1988 - 1994

Instandsetzung des Nord-und Ostflügels

Anmerkung UZ:

Nur die Reparatur der Kapelle und ihres Holztonnengewölbes nach dem Explosionsschaden von 1647, die Bilderausstattung von 1715 und am Ende des 19. Jahrhunderts die „Raumdrehung“, Renovierung und der Zugewinn des angrenzenden Raums als Sakristei sind archivalisch belegt.

Tübingen 1643 (Matthäus Merian d.Ä.)

Tübingen 1643 (Matthäus Merian d.Ä.)

1.1 · Annäherung an Hohentübingen

1.01 - 1.03 Blicke auf das Tübinger Schloß - von Nord-Westen, und von Süden. Herzlichen Dank an Nils Dittbrenner für die Überlassungen dieser beiden "Drohnen-Bilder"
1.04 markiert die Lage der Schloßkirche und Sakristei
1.05 + 1.06 Blick von der "Neckarinsel" zum Schloß

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1.2 · Grundriss und Zeittafel

1.10

Tafel im Durchgang zum Schloßhof (roter Punkt)

1.3 · Unteres Schloßtor & Tor zum Schloßhof

1.11 + 1.12: Unteres Schloßtor
1.13 - 1.18: Tor / Durchgang zum Schloßhof
1.19 + 1.20: Blick zurück aus dem Schloßhof

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1.4 · Schlosshof

1.21 - 1.23: Blick vom Tor nach Westen
1.24 + 1.25: Gegenblicke aus der Südwest- / Nordwestecke
1.26: Blick aus der Südostecke mit dem marmornen Kaiser Augustus in der Mitte des Hofs (1.27 + 1.28). Informationen hierzu
1.29 - 1.31: der Südflügel mit der Schlosskirche im 1. Stock
1.32 - 1.37: Zugang zur Sakristei (rechts) und der Kirche (links)
1.38 - 1.48: Details des Kirchenportals

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2.1 · Beschreibung der Schlosskirche (UZ)

Innenraum der Schlosskirche eine Umkehr der Raumausrichtung um 180 Grad, von West-Ost nach Ost-West, und eine kleine Sitzplatzerweiterung des wohl historischen Gestühls vollzogen wurde. Dies ergeben die Erdgeschosspläne des Königlichen Bezirksbauamtes Tübingen von 1849, des Umbau-Antrags vom 1. Dezember 1885, der Generalsanierung im 20. Jahrhundert und der aktuelle Bestand. Die Kirche wurde 1886 im Zusammenhang mit der „Raumdrehung“ mit gobelinartiger Illusionsmalerei im Wanddekor neugotisch gestaltet und auf einer kleinen Empore, erstmals im Osten, mit der wohl zweiten Orgelgeneration ausgestattet. Die nach 1647 als Spiegelgewölbe errichtete Holzkassettendecke im Übergangsstil von der Renaissance zum Barock verleiht seither dem Kirchenraum zusammen mit der umlaufenden Holz-Lambris und dem Gestühl eine sehr gute Sprach- und Musikakustik. Aus der Bauzeit der Kirche ist der steinerne Renaissance-Altar vorhanden. Auch die Holzkanzel trägt Renaissance-Stilelemente vom Steinsockel über die hölzerne edle Wendelsäule, den Kanzelkorb bis zum Schalldeckel. Im Jahr 1715 wurden erstmals vier großformatige Barock-gemälde mit Szenen der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu in die bis dahin gemäß Herzog Ulrichs Bilderverbot sehr schlichte, bilder- und skulpturenlose Kirche gehängt.

Der zunächst fast 240 Personen fassende Raum mit 25,70 Meter Länge und hinter starken Wehrmauern noch mit 8,10 bis 8,18 Meter lichter Breite und 4,97 Meter Höhe, ist von den riesigen Kellergewölben abgesehen flächenmäßig der zweitgrößte der gesamten Anlage (nach dem Festsaal, noch vor der fürstlichen Tafelstube im Obergeschoss des Nordflügels). Erhellt wird er beidseitig durch fünf tief im Mauerwerk liegende Süd- und vier Nordfenster, das östliche der Südfenster ausgebildet als Zwillingsfenster in weiter Nische zur besseren Belichtung der früher im Osten platzierten Kanzel und des Altar-bereichs. Mit gut 208 Quadratmeter Grundfläche ist die Tübinger Schlosskirche etwas größer als die von Herzog Ulrichs Nachfolger Christoph 1562 als Querkirche gebaute Schlosskirche von Stuttgart, die allerdings bei größerer Raumhöhe noch mit Emporen ausgestattet wurde.

Das Tübinger Innere hat als neuer Kirchenbautyp der Predigtkirche seine räumliche Längsausrichtung – mit der Kanzel an einer Schmalseite, darunter und davor der Steinaltar – seit der Bauzeit beibehalten, wenn auch 1886 bei der ersten Schlosssanierung und Optimierung des Gebäudekomplexes zu universitärer Nutzung im

2.2 · Grundrisse

Ulrich Zimmermann fand in den Akten der Universität Tübingen Grundrisse, die belegen, dass die Schlosskirche ursprünglich geostet war, Dadurch war ein Direktzugang des Herzogs zur Kirche gegeben. 1886 wurde nach Plänen von Oberbaurat Leins auf Bauantrag vom 01.12.1885 (in den Akten) die Kirche um 180° gespiegelt, nach Westen gerichtet und dort das ehemalige Chemische Laboratorium als Sakristei mit Übungskanzel hinzugewonnen. Leider hat das Amt Tübingen der Landesverwaltung "Vermögen und Bau Baden-Württemberg" Abteilung 2: Liegenschaften eine Übernahme dieser Pläne auf die Website nicht gestattet (im Buch von Zimmermann sind sie mit behördlicher Genehmigung abgedruckt). Daher hier auf der Basis eines Grundrisses aus dem Jahr 1890 (mit erfolgter West-Ausrichtung) - veröffentlicht im Internet von der Universitätsbibliothek Tübingen mit "Public Domain"-Rechten [!] - 3 Bild-Montagen:

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Mit dem Schieberegler überblenden: Zustand bis 1885 | ab 1886 (Ost - West)

2.3 · Aufgang zur Schlosskirche

1.49

1.49

2.4 · Innen - Übersicht

2.01 - 2.09 Blick nach Westen zu Kanzel und Altar
2.11 - 2.16 Blick nach Osten zur Orgel

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3 · Orgel (Weigle 1957)

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Disposition

I. Manual

II. Manual

Pedal

Rohrflöte 8'
Prinzipal 4'
Mixtur 3-4f
Musette 8'

Harfpommer 8'
Koppelflöte 4'
Waldflöte
Terzglöcklein 2f
Tremulant

Subbass 16'
Holzflöte 8'
Rohrflöte 4'
Rauschpfeife 3f
Fagott 8'

Quelle und weitere Details zum Instrument: Organindex

4 · Kanzel & Bilder

4.02 - 4.09: Kanzel
4.11 - 4.16: Bilder Kreuzigung und Auferstehung (1715) von Johann Emanuel Schleich
4.14 + 4.17 Inschriften s.u. Der im Kreuzigungsbild unten rechts als erster notierte Johann Heinrich Schleich (um 1651–1715) ist der Vater des Malers.

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    • 4.14

      Gott zu Ehren, auch Zu erweckung, Heiliger Andacht. Haben die auff Löbliche Vestung HoehenTübingen Sambtliche Artillerieverwandte Dises Hieher gestiftet.
      Anno 1715

      Joh: Heinr: Schleich Stuckjunker Joh: Vhlr: Stierle Zeugwart Jacob Gretzinger Büxsenmeister Jacob Stierle Büxs: Johannes Stierle Büxsenm: Georg Fried: Gebhardt. Büxs: Elerd Conr: Reincking. Büxs: David Käuffelin. Büxs: Joh: Ernst Schleich. Büxs Joh: Christoph Stierle. Büxsenmeister

      Joh: Emanuel Schleich Civi [?] Pinxit

    • 4.17

      Johannes Mez. Büxenmeister.
      1779. Haben sämtliche Artillerie Verwandte diese bede Taflen Renoviren lassen. Christian Schmid Rothgerber. Jac. Samuel Stepper Peruquier. Friderich Carl Klump Beck. Georg Adam Klett Schumacher. Georg Michael Seeger Seiler. Bernhard Finsinger Chyrurg. Joh. Jac. Friderich-Mez Beck. Joh. Rudolph Müller Kieffer. Jung Alexander Müller Kieffer. Johan Gottlob Schuster Schlosser.

5 · Altar

Erläuterung Ulrich Zimmermann:
Altarkruzifixe gehörten direkt nach der Reformation nicht in jedem Fall zur "Standardausrüstung" württembergisch-evangelischer Kirchen, vor allem nicht in dieser von Herzog Ulrich bilderlos konzipierten Kirche ("Pfingstmontagserlass 1537"). Standard vielerorten: allenfalls nur die Bibel (und evtl. Kerzen zur Beleuchtung) und fürs Abendmahl das entsprechende Gerät, kein Kreuz, kein Blumenschmuck auf dem "Altar" bzw. Abendmahlstisch. Diese Linie verließ Herzog Christoph 1562 mit dem skulpturengeschmückten Altar- und Kanzelbereich in der Stuttgarter Schlosskirche. Im Anschluss daran wurden Altarretabeln und Altarkruzifixe (wieder) üblich. Es darf davon ausgegangen werden, dass der Kruzifixus von 1887 der erste und bis jetzt einzige seiner Art in der Tübinger Schlosskirche ist. Er wurde wohl dem historistischen Zeitgeist gemäß (Eisenacher Regulativ von 1861, Neugotik, vermeintlich "richtige" lutherische Kirchenausstattung) gestiftet und dabei nicht berücksichtigt, dass ja seit der bilderfreundlichen Barockzeit im großen Ölgemälde von 1715 bereits eine Kreuzigungsdarstellung den Raum prägt (die Präsentation von zwei Kreuzigungsszenen war/ist ikonographisch unüblich).

5,01 - 5.13: Altar - vermutlich aus der Entstehungszeit der Kirche

5.21 - 5.23: Altarkreuz: "Das Kruzifix [...], an Pfingsten 1887 angebracht, ist eine Stiftung aus Sammlungen der Stiftler unter sich."
(Paul Wurster: Hundert Jahre Predigeranstalt in Tübingen – Festschrift der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen; Tübingen 1917, S. 49)

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6 · Schiff Details / Übekanzel in der Sakristei

6,01 + 6.02: Zugang
6.11 - 6.15: Decke
6.21: Steinboden vor dem Altar
6.31: Fenster
6.41 - 6.43: Bänke
6.51 + 6.52: Bild Nordseite "Christgeburt" (1725 ?)
6.53 - 6.55: Bild Südseite "Jesus und die Samariterin" (1725)
Inschrift: Gott dem Allmächtigen zu ehren | Vor so vih le erzeigte wohl[?] | Dißer Kirchen gegenwärtige Tafel gestiftet | Hieronymus Brünn
[?]stets verwandter und zu[?] | [?] Anno 1725
6.61 + 6.62: Übekanzel in der Sakristei

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Impressum

Tübingen · Schlosskirche fotografiert am 12.+27.04.2023 - 101 Bilder
Auf www.kirchen-online.com veröffentlicht am 15.07.2023 SDG
(c) 2023 Foto-Kunst Andreas Keller
Links zuletzt überprüft am 15.07.2023

Herzlichen Dank an Pfr. i.R. Ulrich Zimmermann, ohne dessen Recherchen und zahlreichen Hinweisen diese Präsentation nicht möglich gewesen wäre.

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