Holzelfingen · St. Blasius 8.3 Historische Fotos & Drucksachen
Beschreibung des Oberamts Reutlingen (1824) Auszug
13. Holzelfingen,
ein evangelisches Pfarrdorf mit 364 Einwohnern, auf der Höhe, am Rande der Alp, 2½ Stunden von Reutlingen; Revier Offenhausen, Forstamt Urach. Das Patronat besitzt die Landesherrschaft, welche auch den Pfarrer besoldet. Den großen Zehenten und den Novalzehenten bezieht die Cameral-Verwaltung, den kleinen und den Heuzehenten, die Pfarrey; der große Zehenten ist seit 1820 auf 18 Jahre an die Gemeinde verpachtet.
An Gefällen beziehen
der Staat, nachdem neuerlich mehrere abgelöst worden, noch 27 Sch. 2 Sri. Dinkel, 26 Sch. 3 Sri. Haber und 8 fl. 23 kr. Geld, aus Lehen und Zinsgütern;
die Heiligenpflege des Orts 5 Sch. 3 Sri. Dinkel und 4 Sch. 3¼ Sri. Haber, nebst 1 fl. 14 kr. Geld.
Ferner haben auch die Gemeindepflege des Orts, die Heiligenpflege Oberhausen, und die Pfarrey Unterhausen kleine Gefälle.
Äußerst malerisch ist die Lage der Kirche auf steilen Felsen, ganz am Rade des Gebirgs. Wie auf der ganzen Alp, so findet man auch hier schon die Strohdächer; besonders sind fast alle Wohngebäude mit Stroh, als der wärmern und gegen Sturm und Schneegestöber mehr schützenden Decke, bedeckt; die Scheuren dagegen haben meist Ziegeldächer.
Der Ort hat keine Brunnen, nicht einmal Cisternen, sondern blos „Hülen,“ in Hölen oder Vertiefungen zusammengelaufenes Wasser, das, obgleich sehr unrein und übel riechend, doch von dem Vieh gern getrunken wird. Das Quellwasser muß unten an der Steige geholt werden, wo sich in verschiedenen Abstufungen Zieh- und Schöpfbrunnen befinden.
Die Bevölkerung hat hier seit 10 Jahren nicht nur nicht zugenommen, sondern sogar um 21 Menschen abgenommen. Vergl. S. 41. Übrigens zeichnet sich der Ort Holzelfingen vortheilhaft durch die geringe Zahl von unehelichen Geburten aus. Der Boden ist gut, und großen Theils auch gut angebaut; doch besteht noch über ein Drittel des Ackerlandes in Wechselfeld. Es wird mehr Klee und Esper gebaut, und da der Ort, wie man auf der Alp sagt, stark eingeschlagen liegt, d. h. von schützenden Höhen umgeben ist; so findet man in und um denselben auch noch viele Obstbäume. Die Einwohner sind sehr fleißig, sparsam und wohlhabend, und auch der Gemeindezustand ist gut. S. S. 78. Ein wichtiger Nahrungszweig der Einwohner ist neben dem Feldbau auch der Holzhandel.
In früheren Zeiten gehörte auch noch der Hof Traifelberg zu Holzelfingen, der gegen die Honauer Steige hin lag, im dreyßigjährigen Kriege aber untergegangen ist. Auf der Holzelfinger Markung lag auch
Greiffenstein, ein Schloß unweit Holzelfingen, am Rande des Gebirgs, auf hohen steilen und von 3 Seiten freystehenden Felsen, einst der Sitz der Herrn von Greiffenstein; gegenwärtig aber nur noch in wenigen Überresten vorhanden. Die Greiffenstein waren eine blühende Familie; der erste, den man davon kennen lernt, ist Mereboto de Grifinstein, der in einer Urkunde vom Jahr 1123, worin König Heinrich V. dem Kloster Alpirspach seine Freyheiten bestätigt, als Zeuge erscheint. In der Folge findet man sie in Würtembergischen Diensten; im Jahr 1331 sitzt Albrecht von Greyffenstein als Würtembergischer Landrichter auf dem Landgericht zu Cannstatt zu Gericht. Im Jahr 1355 verkauft Schwigger von Greiffenstein seine Herrschaft, nämlich die Burg Greiffenstein ob Reutlingen, sammt dem Dorf Holzelfingen und allen seinen Gütern, die er zu Hausen in dem Dorf, in dem Thal und auf der Alp diesseits Münsingen besessen, an Würtemberg.
Der Kirchensatz von Holzelfingen wurde im Jahr 1419 von einem Bürger zu Reutlingen an das Kloster Güterstein bey Urach verkauft.
Auf dem Kirchhofe zu Holzelfingen sollen sich Grabsteine der Herrn von Greiffenstein befunden haben; gegenwärtig sieht man nur noch einen einzigen daselbst, den ein vormaliger Pfarrer in seinen Nutzen verwendet und zu einem Denkmal für seine verstorbenen Kinder gebraucht hat.
Nach einem Schreiben eines ehemaligen Pfarrers von Holzelfingen an Crusius, stand in der Nähe von Holzelfingen auch noch ein Schloß, Hochbidegg genannt, das den Greiffensteinern gehörte.
Aus der Umgebung von Holzelfingen verdient das höchst malerische Thälchen bemerkt zu werden, das von Pfullingen und Unterhausen dahin führt und zwischen hohen Felsen und Waldwänden hinläuft. Man erblickt darin zuerst links die Stelle von Stahleck, dann Greiffenstein in wildschöner Lage; außerordentlich wird man aber durch den Anblick der Holzelfinger Kirche überrascht, die wie in den Wolken schwebend von den Felsen durch den Wald herab sieht.
Beschreibung des Oberamts Reutlingen (1893) Auszug
S. 364: 16. Holzelfingen Kirche St. Blasius
Pfarrdorf; Gemeinde III. Klasse mit 7 Gemeinderäten; 634 Einwohner, darunter 610 evangelisch, 24 von anderem Bekenntnis.
…
Der Kirchenheilige war St. Blasius. Darnach scheint die Kirche von dem Domstift Chur aus, das unter Kaiser Otto I. kirchenstiftend auftritt, gegründet worden zu sein, vielleicht unter dem anregenden Einfluß des in einer Urkunde von 937 als Priester wohl von Honau erwähnten Hartbert, des späteren Bischofs von Chur. (R.Gesch.Bl. 1890 Nr. 4.) Erwähnt wird die Kirche erstmals 1275. (Freib. Diözes.Archiv I, 76.) Den Widdumhof, den Kirchensatz und die Kastenvogtei über sie verkauften am 19. Februar 1404 die Brüder Eberhard und Konrad von Landau an den Reutlinger Bürger Heinz Spiegel, dieser aber am 21. März 1419 solchen Besitz um 85 fl. an den Propst des Klosters Güterstein (St.A.). Von hier aus ging alles dies an Württemberg über, welches heute noch die Bau- und Unterhaltungslast des Pfarrhauses hat, die Pfarrstelle besetzt und den Pfarrer besoldet. – Seit 1599 soll hier ein eigener Schulmeister sein.
Der Chor der Kirche ist spätgotisch; er ist aus dem Achteck geschlossen, mit einem Netzgewölbe überspannt, hat Maßwerke in den Fenstern und schlanke Streben. In Betreff des Baumeisters ist nichts bekannt. Das Schiff der Kirche zeigt keinen ausgesprochenen Stil und hat jedenfalls im Lauf der Zeit mehrfache Veränderungen durchgemacht. Der Turm soll nach einer Notiz der Pfarrbeschreibung im J. 1699 erbaut worden sein. Nach alten Rechnungen wurde derselbe 1764/65 mit einem Aufwand von 1010 fl. neu aufgeführt. Seither hat der Turm jedenfalls öftere Reparaturen erfahren und zeigt jetzt, nachdem er im Jahr 1886 wiederum erneuert worden ist, ziemlich anmutige Verhältnisse. Unten viereckig, geht er in seinem obersten Stockwerk in ein Achteck über, dem ein achtseitiges Zeltdach aufgesetzt ist. Die Erbfläche an der nördlichen Turmseite liegt 699,90 m, der Kopf des Kirchturms 729,29 m ü. d. M. Nachdem im Jahr 1842 die Maler Eberlein und Schultz in gotischem Stil die Bilder im Innern der Kirche an der Empore, nämlich Christus und die 12 Apostel, dazu die symbolischen Darstellungen der Erlösung, des Abendmahls und der Taufe und die 4 Evangelisten gefertigt hatten, wurde 1888/89 das ganze Innere restauriert (Bemalung von Haverkampf in Reutlingen). Von künstlerischem Wert ist das hölzerne, 1,40 m hohe Kruzifix auf dem aus kunstloser Maurerarbeit bestehenden Altar, eine Gestalt von edelstem und wirkungsvollstem Ausdruck, ohne Zweifel noch aus dem 16. Jahrhundert stammend. Beachtenswert und von ursprünglich nicht geringer Schönheit sind ferner die bei der Restauration von 1888/89 bloßgelegten Bilder auf den Schlußsteinen des Chorgewölbs, nämlich der Ritter Georg einen Drachen tötend, St. Blasius mit Abtsstab und brennender Kerze, eine edel gehaltene Maria mit reizvollem Jesusknaben. Oestlich von diesen Schußsteinen sind drei Wappenschilde nebeneinander angebracht. Der mittlere von ihnen zeigt ein Kreuz und an demselben hängend einige andere Marterwerkzeuge, während weitere dazu gehörige Stücke, Säule, Dornenkrone und dergl. auf anderen Schilden links und rechts von den Schlußsteinen verteilt sind. Links von dem ersten Schild erscheint das vierfeldrige herzoglich-württembergische Wappen, rechts davon ein greifensteinsches Wappen (ein Greif). Die im Rokokostil gehaltene Orgel wurde 1830 alt aus Rommelsbach gekauft. Von den beiden Glocken hat die ältere und kleinere die Umschrift: „Aus dem Fewer flos ich, Johann Theobald Algeyer in Ulm gos mich Anno 1647.“ Die jüngere zeigt auf der einen Seite das Medaillonbild Luthers, eingefaßt mit den Worten „Ein feste Burg ist unser Gott,“ auf der anderen Seite den Spruch: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden.“ Die Umschrift sagt einfach: „Gegossen in Reutlingen von Kurtz 1847.“
Auf dem die Kirche umgebenden Kirchhof sollen sich Grabsteine der Herren von Greifenstein befunden haben. Aber schon die Oberamtsbeschreibung von 1824 kennt nur noch einen einzigen, welcher jetzt noch außen an der Kirche steht und allerdings ganz den Eindruck eines adeligen Grabsteins macht. Die Umschrift lautet: Anno. domi. M.CCCCLXXXXIIj. jar. starb. tilgen. gochsin (?) . . . der. got. gnedig sin well. Ob diese Gochsin die Mutter des Ludwig Württemberger, des „letzten Herrn von Greifenstein“, und die Tochter des ums J. 1450 als Vogt und Forstmeister des Klosters Zwiefalten erwähnten, zu Steinhilben wohnhaften Burckhardt von Gochzen gewesen (W. Dienerbuch S. 357), muß Vermutung bleiben. Der Grabstein wurde später (1717) von dem Ortsgeistlichen Sehner zu einem Denkmal für seine innerhalb 9 Monaten verstorbenen drei Töchter benützt und erhielt nun in der Mitte noch eine diesbezügliche Inschrift.
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Die "alte" Kirche
Dieses Foto zeigt die "alte" Kirche - vor Neubau 1909.
Quelle: Bildindex der Kunst und Architektur / Bildarchiv Foto Marburg. - Direktlink
Der Baumeister 1910 - Juli
In der Zeitschrift
Der Baumeister - Monatshefte für Architektur und Baupraxis
wird im Jahrgang 1910, Heft 10 (Juli 1910) u.a. über Martin Elsässer geschrieben und u.a. auch 2 Fotos der Kirche St. Blasius abgedruckt.
Artikel hier zum Download.
Christliches Kunstblatt 1911 - Nov./Dez.
1911 fand in Stuttgart eine große Ausstellung zur kirchlichen Kunst in Schwaben statt. Darüber berichtet Johannes Merz ausführlich im
Christlichen Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus
Herausgegeben von D. David Koch
Dreiundfünfzigster Jahrgang 1911 - Heft 11/12, S. 383 - 405: Die Ausstellung kirchlicher Kunst Schwabens. Ein Rückblick. Mit 23 Abbildungen (Merz)
Nachfolgend 3 kurze Textauszüge mit direktem Bezug Holzelfingen. Außerdem der Gesamtbericht pdf zum Download
Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg dort fast alle Jahrgänge des ChrKb zur Einsicht / zum Download verfügbar.
S.395ff: …“Vielleicht am selbständigsten erscheint trotz der Fischerschen Anregung M. Elsäßer. Schon in seiner ersten Ausführung, der Kirche in Lichtental bei Baden-Baden, in Dimensionierung und Ausgestaltung des Raumes von ihm charakteristisch verschieden, hat er seither die verschiedenartigsten Aufgaben mit demselben künstlerischen Feingefühl, nie versagender Gestaltungskraft und technischer Sicherheit gelöst (Kirche in Gaisburg, Holzelfingen, Mittelstadt, Bonlanden, Kirchheim u. T., Schwenningen u.a., (Abbildungen Seite 397, 398, 399, 400, 401). …
S. 403: …“Noch weniger vollständig war die religiöse Malerei auf der Ausstellung vertreten. Außer Lauxmann mit seiner Skizze zu einem Wandgemälde für Schorndorf, war nur Fr. Härlin-Schaller erschienen mit einem allerdings sehr charakteristischen und wirksamen Apostelbild von der Empore in Holzelfingen, an dem auch die Technik interessierte: dünne Tempera-Lasur auf Holz, dessen Geäder sichtbar bleibt, und Franz Gref. …
S. 403: …Unter den Architekten hatte sich außer P. Schmohl nur M. Elsäßer entschlossen, aus in letzter Zeit erbauten Kirchen kunstgewerbliche Ausstattungsstücke zur Ausstellung zu geben. Neben dem schon erwähnten Kronleuchter aus Schwenningen einen solchen aus Holzelfingen (Vestibühl), Tübingen (Treppe), Winnenden (Treppenhaus), eine schön und zweckmäßig gearbeitete Opferbüchse aus Tübingen, ein schmiedeeisernes Kreuz aus Holzelfingen, sowie weitere Ausstellungsstücke, insbesondere aus Schwenningen (Pauluskirche) [Abb. S. 398, 399, 400], Tübingen [S. 401] in Photographie. …
Architektonische Rundschau 1912
In der Zeitschrift
Architektonische Rundschau - Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst
wird im Jahrgang 28 (1912) auf 2 Seiten die Kirche St. Blasius mit 7 Fotos, Grundriss und einer Kurzbeschreibung auf Grund der Präsentation in der "Ausstellung kirchlicher Kunst Schwabens" (siehe dazu oben Christliches Kunstblatt 1911.11+12) vorgestellt:
.
Kirche in Holzelfingen, Oberamt Reutlingen,
Architekt: Martin Elsäßer in Stuttgart.
1. Außenansichten. 2. Grundriß. 3. Blick aus dem Seitenschiff auf Kanzel und Tauffstein.
4. Innenansichten.
.Die Kirche in Holzelfingen wurde im Jahr 1909 umgebaut; Chor und Turm blieben stehen, der Chor wurde nur in seiner inneren Gestaltung verändert, das Schiff wurde wesentlich vergrößert und hat, statt früher 300, jetzt 475 Sitzplätze. Die Kosten des Umbaues betrugen M. 50000, worin auch die Neuanschaffung der Orgel inbegriffen ist. Das Schiff ist massiv aus Tuffsteinen erbaut, das Dach mit Pfannenziegeln gedeckt; das sichtbare Holzwerk im Inneren, sowohl Zimmerkonstruktion als Schreinerarbeit, sind in der Naturfarbe ohne Lack- oder Ölbehandlung belassen und nur gegen Schmutz und Reitzen durch eine farblose Tinktur geschützt. Die Wandge-mälde und die auf Holz gemalten Apostelbilder stammen von der Hand der Kunst-malerin Käthe Schaller-Härlin. (Vergl. Tafel 14 in Heft 1, 1912)
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Tafeln 71 + 72
Abzüge dieser Fotos befinden sich auch im Nachlass Elsaesser im Architekturmuseum der TU München.
Bildhinweise:
Bild 3: gut erkennbar das Altargitter - heute nicht mehr vorhanden.
Bild 5 --> 4: unter den 6 Apostelbildern Textband (heute nicht mehr vorhanden) beginnt Brüstung-Westwand und dann auf Brüstung-Nordwand bis zur Chorwand:
"Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, Wer beharret bis ans Ende, der wird selig." [Mt. 28, 18+19, 24,13]
Bild 4, 6, 7: Bänke im Chor und davor Chorschranke (Halbhöhe) - Orgel auf der Westempore.
Bild 5 + 6: Orgelprospekt Seiten links und rechts bemalt (Käte Härlin?). Später / heute nur farblich abgesetzte (hellere) Fläche.
Balken, Zuganker, Fresken von Härlin Rahmen reich verziert - fehlen heute. Kunstschreiner?
Die Bauwelt 1914 - Kunstbeilage
In der Kunstbeilage Nr. VIII zur Zeitschrift
Die Bauwelt - Baukunst und Kunstgewerbe/Städtebau/Eigenheim und Garten
Jahrgang 1914 werden 4 der 6 Apostelbilder von Käte Härlin abgedruckt und die Bilder kommentiert: "So bekommen die Apostelfiguren, die Frau Schaller-Härlin in der Kirche von Holzelfingen malte, einen weit reicheren Inhalt, als wenn es die Köpfe wären, denen man wohl ansieht, daß sie bedeutende Männer waren, von denen man aber nichts weiß."
Bilder hier zum Download.
Quellen:
- Bilder: dankenswerterweise mir z.V. gestellt von Dr. Jörg Schilling (Wiss. Mitarbeiter der Martin Elsaesser Stiftung)
- Zitat aus "Carla Heussler - Käte Schaller-Härlin (Zwischen Avantgarde und Tradition 2017)